Q1/2019 - Quartalsbericht Zusammenfassung

Das Schwerpunktthema der Internet Governance Diskussion im 1. Quartal 2019 war Künstliche Intelligenz (KI). Das Thema wird mittlerweile von fast allen relevanten internationalen Organisationen aufgegriffen und aus den verschiedensten Perspektiven bearbeitet.

  • Bei der UNESCO und beim Europarat stehen ethische und menschenrechtliche Fragen im Mittelpunkt, bei der OECD, WIPO und der ITU geht es mehr um technische, urheberrechtliche und wirtschaftliche Aspekte. Die ILO setzt sich mit den Konsequenzen von KI für die Zukunft der Arbeit auseinander. Die GGE LAWS behandelt die militärische Dimension, d.h. den Einsatz von KI-basierten autonomen Waffensystemen. Frankreich will Künstliche Intelligenz ins Zentrum seiner diesjährigen G7-Präsidentschaft stellen. Die Europäische Union bemüht sich um einen mehr ganzheitlichen Ansatz.
  • Trotz der Vielzahl von Konferenzen, Studien und Aktionsprogrammen zeichnet sich noch nicht ab, zu welchem Ergebnis diese Diskussion führen wird und wie das mit Internet Governance zusammenhängt. Insbesondere wenn es um die Ausarbeitung von politischen oder rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung und die Anwendung von KI geht, gehen die Meinungen auseinander. Auf der einen Seite stehen Argumente, wonach Regelungen zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht seien und Innovation und Kreativität behindern würden. Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass eine KI-Entwicklung ohne universell akzeptierte Leitlinien mit unkalkulierbaren Risiken und Nebenwirkungen und dem Potential einer „digitalen Katastrophe“ verbunden sind.

Das zweite Schwerpunktthema war Cybersicherheit. Beim jährlichen Welt-Risikobericht des Davoser Weltwirtschaftsforums im Januar 2019 firmierte Instabilität im Cyberspace und die Gefahr von Cyberattacken an zweiter Stelle nach dem Klimawandel. Das Thema spielte auch eine wesentliche Rolle auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2019.

  • Hohe Erwartungen gibt es an die beiden neu gegründeten UN-Arbeitsgruppen (Group of Governmental Experts (GGE) und Open Ended Working Group (OEWG)), die im Sommer 2019 ihre Arbeit aufnehmen. Das im September 2018 verabschiedete „Norm Package Singapore“ der „Global Commission on the Stability of Cyberspace“ (GCSC), und hier insbesondere die Norm zum Schutz des öffentlichen Kerns des Internet (Call to Protect the Public Core of the Internet), wird als eine wichtige „Vorarbeit“ gesehen. Der im November 2018 von der französischen Regierung initiierte „Paris Call on Trust and Security im Cyberspace“, den mittlerweile rund 500 staatliche und nichtstaatliche Akteure signiert haben, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Der „Paris Call“ enthält gleichfalls die Norm zum Schutz des öffentlichen Kerns des Internet. Die beiden von privaten Unternehmen initiierten Cybersecurity-Projekte – der „Tech Accord“ von Microsoft und die „Charter of Trust“ von Siemens – gewinnen weiter an Unterstützung. Beide Initiative haben den „Paris Call“ unterzeichnet. Auch Mark Zuckerberg, CEO von Facebook, hat sich am 30. März 2019 in der „Washington Post“ für eine neue „Regulierung“ des Internet ausgesprochen.
  • Neben der Fortsetzung der Diskussion um Verhaltensnormen für staatliche und nichtstaatliche Akteure im Cyberspace und entsprechende „vertrauensbildende Maßnahmen“ ging es zunehmend auch um eine auf Sicherheitsstandards basierende Zertifizierung von IT-Hard- und Software sowie um eine „Cyberhygiene“, die auch Verpflichtungen und Verhaltensrichtlinien für individuelle Internet-Nutzer einschließt. Notwendig sei größere Transparenz hinsichtlich der Risiken digitaler Dienste und ein auf die komplexen Herausforderungen des digitalen Zeitalters ausgerichteter Umbau der Bildungs- und Ausbildungssysteme, und zwar vom Kindergarten bis zum lebenslangen Lernen.

Digitaler Handel und die Zukunft der Arbeit bildeten den dritten Schwerpunkt. Japans Premierminister Shinzo Abe hat beim Davoser Weltwirtschaftsforum im Januar 2019 vorgeschlagen, unter der japanischen G20-Präsidentschaft beim G20-Gipfeltreffen in Osaka im Juni 2019 einen neuen Prozess zu „Data Governance“ zu starten.

  • Der von Abe vorgeschlagene „Osaka Fast Track“ sollte unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) und geleitet von dem Motto „Free Data Flow on Trust“ (FDFT) zu einem globalen Abkommen über den digitalen Handel führen. Der Vorschlag wurde von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt. Gleichzeitig vereinbarten in Davos 76 der 160 WTO-Mitglieder, mit konkreten Verhandlungen für ein Globalabkommen zu eCommerce zu beginnen. Die Entwicklungen werden von der OECD begleitet, die bis 2020 auch Modalitäten vorschlagen will, wie das Problem der Besteuerung des grenzüberschreitenden Datenflusses geregelt werden soll.
  • Der Abschlussbericht der „Global Commission on the Future of Work“ der ILO (Januar 2019) hat die dramatischen Konsequenzen herausgearbeitet, die sich aus der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt der Zukunft ergeben. Der Bericht wird bei der ILO-Vollversammlung im Sommer 2019 diskutiert. Auch die OECD hat im März 2019 auf ihrem „Digitalgipfel“ festgestellt, dass 50 Prozent der gegenwärtigen Jobs in den nächsten 15 Jahren von der digitalen Revolution grundlegend verändert werden. Gegenwärtig seien aber nur 31 Prozent der Bevölkerung ausreichend ausgebildet, um mit diesen Veränderungen umzugehen.

Der vierte Schwerpunkt war die Gewährleistung der Menschenrechte. Insbesondere bei den Konferenzen der UNESCO (Paris) und des Europarates (Helsinki) wurde darauf gedrängt, dass neue technologische Entwicklungen wie z.B. KI, aber auch Maßnahmen zur Gewährleistung der Cybersicherheit, nicht die Substanz der universellen Menschenrechte aushöhlen oder unterminieren dürfen. Das betrifft auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle durch Internet-Plattformen oder die weitere Entwicklung der sogenannten „Gig Economy“. Internet-Konzerne seien an die sogenannte „Ruggie-Prinzipien“ (UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte/UN Guiding Principles on Business and Human Rights) gebunden. Die beiden Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrates für Meinungsäußerungsfreiheit und zum Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter, David Kaye und Joseph Cannataci , geben daher regelmäßig Empfehlungen nicht nur an Regierungen, sondern auch an Unternehmen. Freiheit des Internet spielt auch im Rahmen der EU-Projekte zum Kampf gegen Desinformationen und zur Urheberrechtsreform eine große Rolle.

Auf zwischenstaatlicher Ebene sind im 1. Quartal 2019 die folgenden wichtigen Aktivitäten herauszuheben:

  • Japan hat am 1. Januar 2019 die Präsidentschaft der G20 übernommen. Das G20-Gipfeltreffen findet im Juni 2019 in Osaka statt. Die japanische Präsidentschaft will dort dem Thema „Data Governance“ Priorität geben. Premierminister Shinzo Abe hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2019 vorgeschlagen, unter dem Slogan „Data Free Flow of Trust“ (DFFT) einen „Osaka Fast Track“ zu starten, mit dessen Hilfe unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) ein internationales Abkommen zum digitalen Handel mit Daten erarbeitet werden soll.
  • Frankreich hat am 1. Januar 2019 die Präsidentschaft der G7 übernommen. Das G7-Gipfeltreffen findet im August 2019 in Biarritz statt. Die französische G7-Präsidentschaft will dem Thema „Künstliche Intelligenz“ hochrangige Priorität geben.
  • Brasilien hat am 1. Januar 2019 die Präsidentschaft von BRICS übernommen. Wegen der erheblichen politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem neuen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und den Präsidenten Chinas Xi Jinping und Russlands Wladimir Putin ist unklar, inwiefern die unter dem BRICS-Dach laufenden Cybersicherheitsprojekte 2019 fortgesetzt werden. Am 28. Februar 2019 haben sich die Außenminister von drei BRICS-Staaten (China, Russland und Indien) im chinesischen Wuzhen getroffen und eine erweiterte trilaterale Zusammenarbeit unter dem neuen Kürzel RIC (Russland, Indien, China) vereinbart, die auch Internet Governance relevante Bereiche einschließt.
  • In der EU ging es im 1. Quartal 2019 um die Umsetzung der Ratsbeschlüsse zu Cybersicherheit (Dezember 2018) sowie des „Code of Practice gegen Desinformation“ (Oktober 2018) im Vorfeld der europäischen Wahlen. Eine große Rolle spielte die Abstimmung über die Urheberechtsreform im Europäischen Parlament. Für den Zeitraum 2021 - 2027 wurde ein Budget von 9,2 Milliarden Euro zur „Zukunft der Digitalen Transformation“ verabschiedet das vor allem in die Bereiche Super-Computing, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und Bildung fließen soll.
  •  NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat bei der Vorstellung des NATO-Jahresberichts für 2018 auf die neue Dimension der kollektiven Verteidigung im Cyberspace verwiesen. Sicherheitsbedenken beim Aufbau von 5G-Netzwerken würden von der NATO ernsthaft geprüft.
  • Die Group of Governmental Experts zu tödlichen autonomen Waffensystemen (GGE-LAWS) hat Ende März 2019 in Genf die Diskussion über politisch-rechtliche Instrumente zur Kontrolle Internet-basierter Waffensysteme fortgesetzt. Auf einer Konferenz am 14. März 2019 in Berlin hat der deutsche Außenminister Heiko Maas internationale Regeln für autonome Waffen gefordert.
  • 76 Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) haben am 25. Januar 2019, am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos, den Beginn von Verhandlungen zur Ausarbeitung eines multilateralen Vertrages zu eCommerce bekanntgegeben.
  • Die OECD hat im März 2019 in Paris einen „Digitalgipfel“ veranstaltet bei dem u.a. die Themen Künstliche Intelligenz und Besteuerung im digitalen Zeitalter auf der Tagesordnung standen.
  • Die 40. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates (UNHRC) im März 2019 in Genf hat einen Bericht des Sonderberichterstatters zum Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter entgegengenommen.
  • Die UNESCO hat am 4. März in Paris eine hochrangige Konferenz zum Thema „Künstliche Intelligenz“ veranstaltet. Sie drängt darauf, dass die Entwicklung und Anwendung von KI mit den von der UNESCO geförderten universellen Internet Prinzipien ROAM (Rights, Openess, Access, Multistakeholder) in Einklang stehen muss;
  • Der Europarat hat am Februar 2019 in Helsinki eine hochrangige Konferenz zu künstlicher Intelligenz veranstaltet und zwölf Leitlinien für die Entwicklung und Anwendung von KI verabschiedet.
  • In der ITU tagten im Januar und Februar 2019 die beiden Arbeitsgruppen des ITU-Rateszu WSIS-SDG (World Summit on the Information Society - Sustainable Development Goals) und zu Internet Governance in Genf. Konkrete Beschlüsse wurden nicht gefasst. Neue Regulierungsvorschläge, z.B. zu OTT (Over the top), wurden auf die lange Bank geschoben. ICANN hat einen Antrag als Mitglied im ITU-D Sektor gestellt. Das von der ITU veranstaltete WSIS-Forum soll im Jahr 2020 mit einer hochrangigen Ministerkonferenz (WSIS+15) verbunden werden.
  • Die „Global Commission on the Future of Work“ hat im Januar 2019 in Genf ihren Schlussbericht zur öffentlichen Diskussion gestellt.

Auf der Multistakeholder Ebene sind im 1. Quartal 2019 folgende wichtige Aktivitäten herauszuheben:

  • Das von UN-Generalsekretär António Guterres eingesetzte „High Level Panel on Digital Cooperation“ hatte am 21. und 22. Januar 2019 seine zweite Sitzung in Genf. Eine dritte Sitzung ist für Anfang April in Helsinki geplant. Der Abschlussbericht wird zum 31. Mai 2019 erwartet.
  • Der vom französischem Präsidenten Emmanuel Macron initiierte Paris Call for Trust and Security in Cyberspace“ hat weiter an Unterstützung gewonnen.
  • Der Vorsitz der Freedom Online Coalition (FOC) für den Zeitraum 2019/2020 ging am 1. März 2019 von Deutschland an Ghana über. Neue Vorsitzende der FOC ist die ghanaische Ministerin für Kommunikation, Ursula Owusu-Ekuful.
  • Die Vorbereitungen für das 14. Internet Governance Forum, vom 25. - 29. November 2019, in Berlin haben mit einer Sitzung der Multistakeholder Advisory Group (MAG) am 30. und 31. Januar 2019 in Genf begonnen.
  • Die Vorbereitungskonferenz für EURODIG 2019 fand am 15. Januar 2019 in Den Haag statt. Generalthema ist „Cooperating in the Digital Age“. EURODIG 12 findet vom 19. - 20. Juni 2019 in Den Haag statt.

Auf der nichtstaatlichen Ebene sind im 1. Quartal folgende wichtige Aktivitäten herauszuheben:

  • Beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2019 waren die Themen Cybersicherheit und digitaler Handel ein zentrale Diskussionsthemen.
  • Bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2019 wurden die Risiken von Instabilität im Cyberspace als eine wachsende Bedrohung von Frieden und internationaler Sicherheit thematisiert.
  • Die Global CommissionontheStabilityofCyberspace (GCSC) veranstalte im Januar 2019 in Genf eine öffentliche Anhörung zu ihrem „Norm Package Singapore“. Im März 2019 konsultierte sich die GCSC in Kobe zur Norm „Call to Protect the Public Core of the Internet“ mit ICANN.
  • Nach „Tech Accord“ und der „Digital Peace Campaign“ kündigte Microsoft an, im Sommer 2019 ein Digital Peace-Institut zu gründen. Das neue Institut soll staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren helfen, sich besser gegen Cyberattacken zu schützen;
  • Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz zog Siemens zum ersten Jahrestag der „Charter of Trust“ eine positive Bilanz und kündigte die Erweiterung des Kreises der Unterstützer an.

Wenn ich mir das Internet anschaue, ist für mich ganz klar, dass es ein fantastisches Instrument für uns alle ist. Natürlich gibt es das Dark Net und das Deep Net und all die Probleme bezüglich der Sicherheit im Internet. Regulierung ist ein sehr komplexes Thema in diesem Zusammenhang. Meines Erachtens sind die traditionellen Mechanismen zwischenstaatlicher Regelungen auf der Basis anerkannter Konventionen hier nicht anwendbar. Ich glaube, wir brauchen hier weichere Mechanismen. Wir müssen alle Interessensgruppen zusammenbringen – Regierungen, die Wirtschaft, die Wissenschaft und die Zivilgesellschaft – und Mechanismen schaffen, mit denen wir Entwicklungen und Ereignisse laufend verfolgen können; Mechanismen, die uns helfen einen Konsens zu erzielen, um Normen und Protokolle zu schaffen. Aber das erreichen wir nicht mit starren bürokratischen Regeln. Für mich ist ganz klar, dass dieser Prozess nicht allein auf die zwischenstaatliche Ebene beschränkt bleiben kann.

UN-Generalsekretär António Guterres, Weltwirtschaftsforum Davos, 23. Januar 2019
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