Q2/2018 - International Telecommunion Union (ITU)

ITU-Rat, Genf, 17. - 27. April 2018

Im April fand die jährliche ITU-Ratstagung im Genf statt. Der ITU-Rat (ITU Council) ist das höchste Gremium der ITU zwischen der alle vier Jahre tagenden Generalkonferenz (Plenipotentiary/PP). Dem ITU-Rat gehören 48 ITU Mitgliedsstaaten an. ITU Sektor Members sind nicht im ITU-Rat vertreten. Der ITU-Rat nimmt die Berichte der verschiedenen ITU-Sektoren – Standardisierung, Entwicklung, Frequenzkoordinierung – entgegen und bereitet die ITU-Vollversammlung vor.

Die ITU-Ratssitzung im April 2018 unter dem Vorsitz des stellvertretenden russischen Kommunikationsministers Ismailow verlief ohne große politische Kontroversen. Offene strittige Fragen, die bei den ITU-Sektor-Konferenzen zu Standardisierung (WTSA/Tunis, Oktober 2016) und zu Entwicklung (WTDC/Buenos Aires, Oktober 2017) debattiert worden waren, wurden nicht weiter vertieft und an die ITU-Vollversammlung in Dubai weitergeleitet. Der Bereich der Frequenzkoordinierung ist nach wie vor hochsensibel, aber wenig strittig, da es im Interesse aller Staaten liegt, ein ordentliches globales Frequenzmanagement zu erhalten. Kritisch ist allerdings nach wie vor die finanzielle Situation der Organisation. ITU-Mitglieder sind aufgerufen, durch Sonderbeiträge zur Entspannung beizutragen. China hat z.B. eine Million Schweizer Franken als Sonderzahlung zugesagt. Außer Pakistan und Kuweit haben sich jedoch noch keine anderen ITU-Mitglieder zu freiwilligen Beitragserhöhungen bekannt.

Trotz des relativ harmonischen Verlaufs der ITU-Ratssitzung kann man davon ausgehen, dass die bevorstehende ITU-Vollversammlung (29. Oktober - 16. November 2018 in Dubai) nicht konfliktfrei verlaufen wird. Das betrifft insbesondere Themen wie Cybersicherheit, künstliche Intelligenz und Internet der Dinge. Auch Internet Governance kann erneut zu einem Streitpunkt werden.

  • Beim Thema Cybersicherheit sieht sich die ITU als Koordinator der entsprechenden WSIS-Aktionslinie in einer wichtigen Rolle. Viele Staaten, wie z.B. die USA und die EU, sehen die ITU aber nicht als eine Cybersicherheitsorganisation. Dies sei durch das ITU-Mandat nicht abgedeckt.
     
  • Das betrifft auch das Thema künstliche Intelligenz. Seit zwei Jahren veranstaltet die ITU einen „AI-Gipfel“ in Genf und präsentiert sich als die UN-Organisation, die dieses Thema gut behandeln kann. Aber auch das ist nicht durch das Mandat der ITU gedeckt.
     
  • Komplizierter sind Themen wie Standardisierung von IOT oder OTT-Services. Diese Themen werden in Study Groups der ITU-T behandelt, einzelne Details der dort behandelten Themen aber reichen in den Bereich von Internet Governance hinein. Zwar steht nicht zu erwarten, dass die alten Streitigkeiten zwischen ICANN und ITU wieder aufflammen, es ist aber nicht auszuschließen, dass ITU-Mitgliedsstaaten wie Russland oder Saudi-Arabien Resolutionen einbringen, die der ITU erweiterte Funktionen bei der Verwaltung von kritischen Internet-Ressourcen zuordnen wollen. Momentan gelten die Beziehungen zwischen der ITU und ICANN als entspannt. ITU-Generalsekretär Houlin Zhao wird am High Level GAC-Meeting im Rahmen von ICANN 67 am 20. Oktober 2018 in Barcelona teilnehmen. ICANNs CEO Göran Marby wird bei der Eröffnung der ITU-Vollversammlung am 29. Oktober 2018 in Dubai sprechen. Überdies laufen Vorbereitungen für eine Mitgliedschaft ICANNs bei der ITU als ein „Sector Member“.
     
  • Kontrovers könnte auch die Auseinandersetzung werden, ob eine weitere Konferenz für die Ausarbeitung von „International Telecommunication Regulations“ (ITRs) notwendig ist. 2012 war in Dubai die „World Conference on International Telecommunication“ (WCIT), die die ITRs von 1988 überarbeiten sollte, gescheitert. Das hatte zu einer Spaltung der ITU geführt. Weniger als die Hälfte der ITU-Mitglieder unterzeichneten die neuen ITRs von 2012. Die anderen beziehen sich nach wie vor auf die ITRs von 1988. Die ITR-Arbeitsgruppe, die der ITU-Rat vor zwei Jahren eingesetzt hatte, konnte sich bislang nicht darauf verständigen, ob für 2020 eine neue WCIT einberufen werden sollte. Vor allem die westlichen Staaten sehen keinen Bedarf für eine neue WCIT. Die ITRs spielen bei der Abwicklung des internationalen Telekommunikationsverkehrs kaum noch eine Rolle. Eine Neu-Verhandlung, die möglicherweise wieder zu Versuchen für eine Ausdehnung des Zuständigkeitsbereichs von ITRs auf Internet-Dienste führen könnte, trägt nicht unerhebliches Potential für neue politische Kontroversen in sich.
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