Q4/2018 - 13. Internet Governance Forum (IGF)

Paris, 12. - 15. November 2018

Das 13. IGF vom 12. - 15. November 2018 in Paris wurde allgemein als ein großer Erfolg gewürdigt. Das betraf sowohl die politische Bedeutung, die Qualität der Diskussionen und das dokumentierte Ergebnis. Seine politische Bedeutung erhielt es vor allem durch die hochrangige Eröffnungsveranstaltung mit Reden von UN-Generalsekretär António Guterres, UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

  1. Insbesondere die Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron machte deutlich, dass das Thema Internet Governance auf der großen politischen Bühne angekommen ist. Zwar fanden seine zahlreichen Vorschläge für neue multilaterale Internet Arrangements und entsprechende Regulierungen nicht einhellig Zuspruch. So äußerte sich z.B. der Leiter der US-amerikanischen Regierungsdelegation David Redl, stellvertretender Wirtschaftsminister und Vorsitzender der NTIA, kritisch über die verschiedenen Regulierungsvorschläge von Macron. Die Rede des französischen Präsidenten verdeutlichte aber, dass nach Jahren relativer Stagnation der globalen Internet Governance Debatte (und eine übermäßige Konzentration auf das Management kritischer Internet-Ressourcen, die Tätigkeit von ICANN und die IANA Transition) ein neuer Schub für eine globalpolitische Internet Debatte notwendig ist. Macron wandte sich sowohl gegen ein staatlich kontrolliertes autoritäres Internet, als auch gegen ein Internet des „laissez faire“ und verband die Frage zukünftiger Internet-Arrangements mit der Zukunft einer auf Rechtsstaatlichkeit basierenden funktionierenden Demokratie. Sein Einsatz für einen „innovativen Multilateralismus“ richtete sich gegen Modelle eines neo-nationalistischen Unilateralismus und kann als eine Aufforderung zur kreativen Weiterentwicklung des Multistakeholderismus gesehen werden, der seit der Annahme der Tunis Agenda konzeptionelle Grundlage für die Diskussion von Internet Governance Fragen darstellt.
  2. UN-Generalsekretär António Guterres Rede zielte in die gleiche Richtung. Guterres machte sich ebenfalls für das Multistakeholder-Prinzip stark. Er forderte eine ganzheitliche Herangehensweise an globale Internet-Fragen, d.h. einen „multidisciplinary“ Ansatz. Guterres forderte mehr Kreativität bei der Entwicklung von Internet Arrangements und setzte sich für eine enge Verzahnung der WSIS-Ziele mit den UN-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs) ein. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf neue Herausforderungen wie künstliche Intelligenz. Dem IGF sicherte er die Unterstützung der UNO zu, forderte aber mehr konkrete Ergebnisse, die auch einen praktischen Effekt in der digitalen Welt haben.  Dabei forderte auch er einen „innovativen Multilateralismus“. „Discussion on Internet Governance cannot just remain discussion. Policy, and when relevant normative frameworks, must be developed to ensure impact. We cannot leave our fate in the digital era to the invisible hand of the market force. But classical forms of regulation do not apply to many of this new generation of challenges. Non-traditional, multilateral and multi-stakeholder cooperation will be crucial, including governments, private sector, reserach centers and civil society“. Guterres verwies auch auf das von ihm im Juni 2018 berufene High Level Panel on Digital Cooperation und forderte das Panel auf, zur Stärkung des IGFs beizutragen.

Zwar war das Programm des IGF von traditionell vier Tagen auf drei Tage verkürzt worden, dennoch war sowohl Qualität als auch Intensität der Diskussion auf einem hohen Niveau. Obwohl die Multistakeholder Advisory Group (MAG) wegen der späten Bekanntgabe des Gastlandes nur wenig Zeit hatte, aus den über 400 Vorschlägen ein stimmiges Programm zu entwickeln, hat sich der „new program shaping approach“ des MAG grundsätzlich bewährt, auch wenn es nach wie vor nicht unerhebliche Kritiken am Vorgehen des MAGs bei der Evaluierung von Vorschlägen aus der Community gibt.

Mehr als 3.000 Teilnehmer aus 143 Ländern (darunter rund 1.000 online) hatten sich für das 13. IGF registriet. Insgesamt gab es 171 Sessions in verschiedenen Formaten. In 35 Ländern waren sogenannte „regionale Hubs“ für eine „remote participation“ organisiert worden. Die Zahl der nationalen, regionalen und Jugend-IGFs ist von 97 beim IGF 2017 in Genf auf jetzt 111 gewachsen. Die Zahl der IGF Dynamic Coalitions ist auf insgesamt 18 angewachsen.

Auf die seit Jahren erhobenen Forderung nach mehr „tangible output“ reagierte das IGF 2018 mit den "Chair´s Summary" und „IGF 2018 Messages“. Das IGF hat kein Verhandlungsmandat und kann insofern auch nicht ein von allen Stakeholdern getragenes Abschlussdokument verabschieden.

  1. Die seit Jahren diskutierte – und bei vielen nationalen und regionale IGFs praktizierte – Idee, Diskussionen in den einzelnen Plenarsitzungen und Workshops durch sogenannte „Messages“ zusammenzufassen, war erstmalig bei einem globalen IGF im Dezember 2017 in Genf angewendet worden. Das Pariser IGF ging nun einen Schritt weiter und verpflichtete alle Rapporteure der einzelnen Sessions unmittelbar nach der Beendigung der Veranstaltung die Quintessenz der Diskussion in zwei bis drei kurze Botschaften zu resümieren. Daraus ergab sich am Ende des IGF ein Dokument, in dem zu acht Schwerpunktthemen insgesamt 157 Messages aufgelistet werden.
  2. Diese Messages haben keinen rechtlichen Status. Sie sind keine „Empfehlungen“ wie sie sonst bei UN-Konferenz verabschiedet werden. Sie sind aber eine gute Orientierungshilfe, eine „Quelle der Inspiration“ und tragen bei zu einem Multistakeholder-Meinungsbildungsprozess „von unten“. Sie können zukünftig auch hilfreich sein bei der Formulierung von Agenden, wenn die Behandlung von einzelnen Sachthemen in ein Stadium von Verhandlungen übergeht. Noch ist das Verfahren zur Ausarbeitung solcher Messages undefiniert. Hier ist zukünftig auch das MAG gefragt, das Prozedere für die Ausarbeitung von IGF-Messages zu klären. Sinnvoll wäre es auch, wenn das MAG einen Mechanismus einführen würde, um zu verfolgen, wie die einzelnen Messages die weitere Politikentwicklung in den jeweiligen Sachbereichen beeinflussen.
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