Q2/2019 - Japanische G20-Präsidentschaft
G20-Gipfeltreffen, Osaka, 28. – 29. Juni 2019
Beim G20-Gipfeltreffen am 28. und 29. Juni 2019 in Osaka dominierten die Themen Welthandel und Klimaschutz. Das vom japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2019 aufgeworfene Thema der „Data Governance“ war eines der Konfliktthemen auf dem Gipfel. Dabei ging es darum, inwiefern das Thema eingebunden wird in die anstehende Reform der Welthandelsorganisation (WTO). In der „G20 Osaka Leaders Declaration“ sprechen sich die G20-Staaten für einen “Data Free Flow with Trust“ (DFFT) aus. Notwendig sei dafür, die Interoperabilität von Netzwerken und rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Die Wechselbeziehungen zwischen Handel und der Digitalwirtschaft würden immer enger.[1]
Bei der Beurteilung der „Joint Initiative on eCommerce“, die 78 Regierungen beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2019 gestartet hatten, gab es aber einen nicht unerheblichen Konflikt. Mit Indien, Indonesien und Südafrika verweigerten drei G20-Staaten der „Osaka Declaration on Digital Economy“[2] ihre Zustimmung. In diesem Dokument wird die Joint Initiative als „Osaka Track“ unterstützt und die Erwartung ausgesprochen, bis zur 12. WTO-Ministerkonferenz im Juni 2020 substantielle Fortschritte zu erzielen. Vor allem Indien sieht in dem Mandat für den „Osaka Track“ eine Beschränkung der nationalen Souveränität und sieht die Prinzipien der „Joint Initiative“ als nicht kompatibel mit der nationalen eCommerce-Politik. Begrenzung für einen grenzüberschreitenden Datenfluss sind z.B. in Indiens Gesetz zu „Datalocalisation“ enthalten. Auf der anderen Seite haben sowohl China als auch Russland, die gleichfalls Gesetze zu Datalocalisation verabschiedet haben, der „Osaka Declaration on Digital Economy“ zugestimmt.
Ein weiteres wichtiges Thema auf dem G20-Gipfel war künstliche Intelligenz. Das Gipfeltreffen folgte der Empfehlung der G20-Digitalminister und verabschiedete ein Dokument unter dem Titel „G20 AI Principles“:
Das Dokument formuliert zehn Grundsätze für den politischen Umgang mit dem Thema „künstliche Intelligenz“. [3]Künstliche Intelligenz wird als eine große Chance für wirtschaftliches Wachstum und die Zukunft der Arbeit gesehen. Staatliche und private Akteure werden ermutigt, in künstliche Intelligenz zu investieren. Um möglichen Fehlentwicklungen von vornherein entgegenzuwirken, soll die Entwicklung künstlicher Intelligenz sich von Werten wie Menschenrechte und Demokratie leiten lassen. Insbesondere wird Bezug genommen auf Prinzipien wie Freiheit, Würde und Autonomie des Menschen, Privatsphäre und Datenschutz, Nicht-Diskriminierung und Gleichheit, Vielfalt, Fairness, soziale Gerechtigkeit und international anerkannte Arbeitsrechte. KI-Systeme sollten transparent und erklärbar sein, robust und sicher. Entsprechende Verantwortlichkeiten beim Einsatz von künstlicher Intelligenz müssten vorher geklärt werden. Wichtig sei eine Ausweitung der internationalen Zusammenarbeit, die Gewährleistung der Interoperabilität neu entstehender Systeme und eine faire Gestaltung der mit künstlicher Intelligenz verbundenen Veränderung auf dem Arbeitsmarkt.
Die G20-AI-Prinzipien entsprechen den von der OECD-Ministerkonferenz am 19. Mai 2019 in Paris verabschiedeten „OECD Recommendation of the Council for Artificial Intelligence“. Die OECD arbeitet bereits seit Jahren als einer Art De-facto-Sekretariat für die G20 zu allen Themen der Digitalisierung. Die einstimmige Annahme der OECD-Empfehlung als „G20 AI Principles“ ist insofern erstaunlich, als ihr auch G20-Mitglieder, die nicht Mitglieder der OECD sind, zugestimmt haben. Das betrifft vor allem China und Russland, die beide in den letzten Jahren erklärt haben, dass sie zu einem Weltführer im Bereich der künstlichen Intelligenz aufsteigen wollen.
Ein drittes wichtiges Dokument des G20-Gipfel war die Verabschiedung einer Erklärung zur Unterbindung des Missbrauchs des Internets für Terrorismus und Gewaltpropaganda. Diese G20-Erklärung orientiert sich zum Teil an der Erklärung der G7-Innenminister vom 5. April 2019 in Paris, ist jedoch weniger konkret. In der G20-Erklärung wird einerseits das Bekenntnis zu einem „offenen, freien und sicheren Internet“ bekräftigt. Es wird aber andererseits auch gesagt, dass das Internet kein „Freihafen für Terroristen“ sein darf. Rechtsstaatlichkeit gelte offline wie online. Die Online-Plattformen werden aufgefordert, enger mit Regierungen zusammenzuarbeiten und müssen sich dagegen wehren, wenn sie von Terroristen und Gewaltpropagandisten missbraucht werden. Wichtig sei, dass die Online-Plattformen diesbezüglich transparent sind und der Öffentlichkeit gegenüber Rechenschaft ablegen. Wie die G7 setzen sich auch die G20 dafür ein, die Rolle des „Global Internet Forum to Counter Terrorism“ (GIFCT) zu stärken.[4]
Diskutiert wurde in Osaka auch über die Einführung einer globalen Digitalsteuer. Bereits seit einigen Jahren gibt es gemeinsame Anstrengungen der G20 mit der OECD, das Problem einer Digitalsteuer auf globaler Ebene zu lösen. Einige Länder, wie Frankreich, haben mittlerweile einseitige nationale Lösungen gefunden. Deutschland hat erklärt, dass es auf die Empfehlungen der OECD warten will. Das „G20/OECD Base Erosion and Profit Shifting Package“ (BEPS) hatte nun über eine spezielle Arbeitsgruppe (BEPS Inclusive Framework) einen „two pillar approach“ vorgeschlagen, wie eine globale Digitalsteuer organisieret werden könnte. Die G20-Staaten sprachen die Hoffnung aus, dass nach Vorlage des Schlussberichts der OECD-Arbeitsgruppe im Jahr 2020 entsprechende Entscheidungen gefällt werden können.[5]
Gegenstand des Gipfeltreffens war auch das bereits bei der Tagung der G20-Finanzminister besprochene Thema der Kryptowährung. Diese Diskussion erhielt nicht zuletzt durch die Ankündigung von Facebook, eine neue Kryptowährung (Libro) einzuführen, zusätzliche Brisanz. Die G20-Regierungschefs sehen jedoch im Moment noch keine durch Kryptowährungen hervorgerufene Gefahr für die Stabilität des globalen Finanzsystems. Sie wollen aber die Entwicklung sehr aufmerksam verfolgen und ermutigen insbesondere das Financial Stability Board (FSB) und die Financial Action Task Force (FATF), die neuen Entwicklungen aufmerksam zu studieren und, wenn nötig, den G20-Finanzministern entsprechende Empfehlungen zu geben.[6]
G20-Digitalminister. Tsukuba, 8. – 9. Juni 2019
Am 8. und 9. Juni 2019 fand in Tsukuba ein Treffen der sogenannten Digitalminister der G20 statt. Erstmalig wurde diese Konferenz gemeinsam mit den für Handel zuständigen Ministern der G20-Länder durchgeführt. Das sollte die enge Wechselbeziehung zwischen traditionellem Handel und der Digitalwirtschaft dokumentieren. Paragraph 9 der Abschlusserklärung, des „G20 Ministerial Statement on Trade and Digital Economy“[7] macht auf die “wachsende Konvergenz zwischen der physischen Welt und der virtuellen Welt“ aufmerksam.
Eingeladen zu der Konferenz waren Minister von 12 weiteren Staaten, die nicht Mitglied der G20, aber wichtige Player in der globalen Digitalwirtschaft sind wie u.a. Nigeria, Ägypten, Singapur, Vietnam, Spanien und die Niederlande. Vorgeschaltet war ein eintägige „Multistakeholder-Konferenz“ mit Experten aus der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft.
Die zwei wesentlichen Ergebnisse der G20-Ministertagung waren die Zustimmung der G20-Digitalminister zur OECD-Empfehlung zu künstlicher Intelligenz und die Verankerung des Konzepts eines „Data Free Flow with Trust“ (DFFT), das die japanische G20-Präsidentschaft gepusht hatte, als ein wichtiges Element für die anstehende Reform der Welthandelsorganisation WTO sowie für die WTO-Verhandlungen zu eCommerce.[8]
Die jährliche G20-Digtalministerkonferenz hat sich seit der chinesischen G20-Präsidentschaft 2016 mit der Konferenz in Hangzhou (Düsseldorf 2017, Salta 2018) zu einer Plattform entwickelt, bei der auf Ministerebene weit über die engen Themen der Entwicklung der Digitalwirtschaft hinaus auch generelle politische Themen zu Internet Governance besprochen werden. Bemerkenswert war bei der Tsukuba-Konferenz das klare Bekenntnis zum Multistakeholder-Prinzip. In Paragraph 13 der Schlusserklärung teilen alle G20-Staaten die Ansicht, dass eine digitale Gesellschaft nur auf dem wechselseitigen Vertrauen zwischen allen Stakeholdern – Regierungen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, technisch-akademische Community – aufgebaut werden kann.[9] Notwendig sei, innovative Governance-Modelle zu entwickeln. In Paragraph 23 heißt es, dass „Governance im digitalen Zeitalter nicht nur innovationsfreundlich, sondern auch selbst innovativ sein muss“.[10] Dabei bedienen sich die G20-Digitalminister zunehmend jener Formulierungen, die im WSIS-Kontext – wie der Tunis-Agenda von 2005 – entstanden sind. Die G20-Digitalminister empfehlen, diese Diskussion beim 14. IGF im November 2019 sowie beim WSIS-Forum im März 2020 in Genf fortzuführen. Dies könnte ein erster Schritt sein auf dem Weg zu einer mehr ganzeinheitlichen Betrachtungsweise der „Internet related public policy issues“. Es wird abzuwarten sein, inwiefern sich dieser Trend unter der G20-Präsidentenschaft von Saudi-Arabien im Jahr 2020 fortsetzt.
Im Rahmen der japanischen G20-Präsidentschaft steht noch ein Treffen der G20-Außenminister an. Das ist für den 22. und 23. November 2019 in Nagoya terminiert. 2020 geht die G20-Präsidentschaft auf Saudi-Arabien über, 2021 übernimmt Italien, 2022 Indien die G20-Präsidentschaft.