Monatsbericht 09/2022 - Zusammenfassung

Volume 1, September 2022, Nummer 7

Am 26. September 2022 begann die alle vier Jahre stattfindende ITU-Generalversammlung in Bukarest. Sie diskutiert das Programm für 2023 – 2027. Der Konflikt zwischen ICANN und der ITU über die Zuständigkeit für Domainnamen und IP-Adressen ist nach wie vor virulent. Insbesondere Russland fordert ITU-Zuständigkeiten für das DNS. Die ITU sollte die Souveränität der Staaten über ihr „nationales Internet-Segment“ anerkennen. China hatte jüngst mit Vorschlägen für ein neues Internet-Protokoll (New IP) und ein erweitertes Adressprotokoll (IPv6+) erneut für Unruhe gesorgt. Die Wahl der neuen ITU-Leitungsgremien wurde daher als Richtungswahl für die zukünftige Rolle der ITU und ihr Verhältnis zu ICANN angesehen. Am 28. September 2023 gewann die Amerikanerin Doreen Bogdan-Martin mit 132 Stimmen gegen den Russen Rashid Ismailov (25 Stimmen). Gewählt wurden auch der neue stellvertretende ITU-Generalsekretär Tomas Lamanauskas (Litauen) und die Direktoren der ITU-Sektoren für Standardisierung/ITU-T, Seizo Onoe (Japan), Frequenzen/ITU-R Mario Maniewicz (Uruguay) und Infrastrukturentwicklung/ITU-D Cosmas Zavazava (Simbabwe). Deutschland hatte sich mit Thomas Zielke vom BMWK um den Posten des ITU-T-Direktors beworben, erhielt aber nur 12 Stimmen. Die ITU ist eine zwischenstaatliche Organisation. Nicht-staatliche Stakeholder können als „Sector Member“ in Arbeitsgruppen mitreden, in der Generalversammlung haben sie keine Stimme. Die ITU-Konferenz endet am 14. Oktober 2023.

Das Schlussdokument des Gipfeltreffens der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) in Samarkand am 16. September 2022 enthält mehrere Abschnitte zu Internet Governance.  Die Staats- und Regierungschefs der SCO, darunter die Präsidenten von China, Xi Jinping, Russland, Wladimir Putin und Indien, Narendra Modi, fordern einen „sicheren, fairen und inklusiven Informationsraum, der auf den Prinzipien der staatlichen Souveränität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder“ basiert. Sie unterstreichen die Notwendigkeit „to regulate the Internet and the sovereign right of states to manage it within their national Segment“. Zurückgewiesen wird eine Militarisierung des Cyberspace. Unterstützt werden die UN-Verhandlungen zu Cybersicherheit (OEWG) und Cyberkriminalität (AHC). Die SCO-Regierungen werden aufgefordert, ihre digitale Kooperation, insbesondere bei eCommerce und Forschung und Entwicklung, zu vertiefen und die digitale Transformation der Gesellschaft zu beschleunigen. 2023 übernimmt Indien die SCO-Präsidentschaft. Indien wird 2023 auch Vorsitzender der BRICS sein.  

Das Treffen der Digitalminister der G20 am 1. September 2022 auf Bali endete mit einem Desaster. Zum ersten Mal seit der Gründung dieser jährlichen Ministerkonferenzen im Jahr 2016 gab es keine Abschlusserklärung. Die indonesischen Gastgeber hatten seit Februar 2022 in vier Sitzungen der „G20 Digital Economy Task Force“ (DETF) ein „Bali Package“ mit Empfehlungen zur Stärkung von Konnektivität nach Covid, zur digitalen Ausbildung und zum grenzüberschreitenden digitalen Datenhandel vorgelegt. Die Verabschiedung scheiterte, da man sich in der Präambel nicht auf eine Formel zur Verurteilung des Ukraine-Krieges einigen konnte. Beim G20-Gipfeltreffen im November 2022 sollen die Staats- und Regierungschefs über die Zukunft des „Bali Package“ entscheiden.

Am 9. September 2023 endete in New York die 3. Verhandlungsrunde zur Ausarbeitung einer neuen UN-Konvention zur Bekämpfung von Cyberkriminalität. Nach der Einigung über die Grundstruktur haben mehrere Staatengruppe erste Textentwürfe vorgelegt. Strittig sind vor allem die Definition von kriminellen Handlungen im Cyberspace sowie grenzüberschreitende Verfahren der Strafverfolgung. Die Vorsitzende des „Ad Hoc Committee“ (AHC), die algerische Botschafterin, Faouzia Boumaiza Mebarki, wird vor der 4. Sitzung (Januar 2023 in Wien) einen ersten konsolidierten Entwurf zur Diskussion stellen. Weitere Sitzungen sind für April 2023 (Wien) und August 2023 (New York) geplant. Die Konvention soll bis 2024 unterschriftsreif sein.

Am 20. September 2022 begann in New York die 77. UN-Vollversammlung. Im Mittelpunkt stand der Krieg in der Ukraine. Dabei wurde in vielen Reden auf die „Cyberkomponente“ dieses Krieges hingewiesen. Die UNO wurde aufgefordert, eine konstruktive Rolle zu spielen, z.B. gegen Desinformationskampgenen, Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen und die Anwendung völkerrechtlicher Normen im Cyberspace. Der Vorschlag von UN-Generalsekretär Guterres, Internet-basierte autonome Waffensysteme zu verbieten, fand wenig Resonanz. Der für 2023 geplante „UN Summit on the Future“, in dessen Rahmen ein „Global Digital Compact“ (GDC) ausgearbeitet werden soll, wurde auf September 2024 verschoben. Im September 2023 soll aber eine vorbereitende Ministerkonferenz stattfinden. Der im Juni 2022 ernannte UN Tech Envoy, Amandeep Singh Gill, hat mittlerweile mit globalen GDC-Konsultationen begonnen. Deadline für Inputs ist jetzt der 31. Dezember 2022.

 

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