Q1/2020 - Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)

Jahrestagung, München, 14. – 16. Februar 2020

Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) stand unter dem Motto „Westlessness“. Sie wurde überschattet von einer deutsch-amerikanischen Kontroverse über die Zukunft der globalen Ordnung. In seiner Eröffnungsansprache hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die USA kritisiert: „Unser engster Verbündeter, die Vereinigten Staaten von Amerika, erteilen unter der jetzigen Regierung selbst der Idee einer internationalen Gemeinschaft eine Absage. Als ob eine Haltung "jeder ist sich selbst der Nächste" schon Weltpolitik sein könnte. Als ob an alle gedacht sei, wenn jeder an sich denkt. "Great again" – notfalls auch auf Kosten der Nachbarn und Partner[1]." Diese Aussage wurde vom amerikanischen Außenminister Mike Pompeo am nächsten Tag scharf zurückgewiesen: „Over the past few years, I’ve seen democratic leaders questioning America’s commitment to the transatlantic alliance and America’s leadership in the world. These quotes frankly surprised me …. A quote from yesterday suggested, that the United States “rejects the international community.” I’m here this morning to tell you the facts. Those statements simply do not affect in any significant way or reflect reality. I am happy to report that the death of the transatlantic alliance is grossly over-exaggerated. The West is winning. We are collectively winning. We’re doing it together[2].“

Cybersicherheit ist mittlerweile ein Kernbestandteil der Münchner Sicherheitskonferenz geworden. Dabei ging es vor allem um die Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit 5G, die Militarisierung des Cyberspace, die Frage der „digitalen Souveränität“ und dem Umgang mit personalisierten Daten. Marc Zuckerberg (CEO von Facebook) und Brad Smith (CEO von Microsoft) unterstrichen die besondere Verantwortung von privaten Unternehmen, demokratische Prozesse und individuelle Freiheiten und Rechte von Internetnutzern zu schützen[3].

  • Beim diesjährigen „MSC Cybersecurity Roundtable“ unter dem Titel „Between 5G and G-Zero: The Age of Tech Geopolitics" wurde der Rückstand Europas gegenüber den USA und China beklagt. Europa solle aber nicht in Defätismus verfallen, sondern sich auf die eigenen Stärken besinnen. Dazu gehören europäische Werte wie Datensicherheit und der Schutz der Privatsphäre. Notwendig seien aber "europäische Champions" im digitalen Raum. Gefordert wurde eine Art "digitaler Airbus". Eine große Rolle spielte auch das Thema Rechtssicherheit und internationale Normen im digitalen Raum.
     
  • Beim Thema 5G drängten vor allem die Vertreter der amerikanischen Regierungen wie Außenminister Pompeo[4] und Verteidigungsminister Mark Esper, aber auch die demokratische Kongressabgeordnete Nancy Pelosi die europäischen Partner, beim Aufbau ihrer 5G-Netze nicht auf den chinesischen Anbieter Huawei zurückzugreifen. Am Vorabend der MSC hatte die EU eine „Toolbox[5]“ veröffentlicht, die einen differenzierten Umgang mit 5G ermöglichen soll. So hat z.B. Großbritannien entschieden, Huawei lediglich für einen eng definierten sicherheitsrelevanten Kern der zukünftigen britischen 5G-Netze auszuschließen. Die Frage nach Alternativen zu Huawei, die der ehemalige Präsident Estlands, Toomas Ilves in der Q&A-Session aufwarf, blieb unbeantwortet. Verwiesen wurde in der Diskussion u.a. darauf, dass Nokia und Ericsson versuchen sich, in der bereits begonnen Diskussion um 6G, an die internationale Spitze zu stellen.
     
  • Bei der Diskussion um eine Militarisierung des Cyberspace ging es vor allem um die Verhandlungen im UN-System (UN-GGE, OEWG, GGE LAWS). Hier gab es ein breites Spektrum von Meinungen, die von der Befürwortung neuer völkerrechtlicher Abkommen über ein Moratorium für autonome Waffensysteme bis zu einer angepassten Interpretation bestehender Rechtsinstrumente reichte. Der russische Außenminister Sergei Lawrow sprach sich gegen eine Militarisierung des Cyberspace aus, ohne jedoch konkret zu werden oder zu Vorwürfen gegenüber russischen Cyberangriffen Stellung zu nehmen: „Man darf den negativen Einfluss der neuen bahnbrechenden Technologien auf die globale Stabilität nicht zulassen. Darauf sind die Initiativen zur Verhinderung des Wettrüstens im All und Nichtzulassung der Militarisierung des Cyberraums gerichtet[6].“
     
  • Beim Thema „digitale Souveränität“ waren zwei Tendenzen erkennbar. Einerseits wurde die auch von der EU-Kommission geforderte europäische „digitale/technologische Souveränität“ als Praktizierung von Selbstbestimmung im Umgang mit der digitalen Welt interpretiert. Anderseits gab es aber auch viele Stimmen, die digitale Souveränität primär als ein Konzept zum Schutz nationaler politischer, wirtschaftlicher und kultureller Interessen verstanden. Selbst eine Reihe von Vertretern westlicher Staaten argumentierten, dass angesichts neuer Bedrohungslagen – Manipulierung von demokratischen Wahlen, Desinformationskampagnen, wirtschaftliche Schäden durch organisierte Kriminalität – eine stärkere Rolle des Nationalstaates bei der Regulierung des Cyberraums unabdingbar sei. Staatliche Maßnahmen dürften dabei auch mit Blick auf Fake News und Hate Speech nicht vor der Kontrolle von Informationsinhalten zurückschrecken. Meinungsäußerungsfreiheit und Schutz der Privatsphäre seien wichtige Güter, angesichts einer neuen Bedrohungslage müsse aber auch eine neue Abwägung zur Ausbalancierung von konfligierenden Rechtsgütern und Werten erfolgen.

 

Mehr zum Thema
MSCQ1/2020MSC
  1. [1] Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, München, 14. Februar 2020, in: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2020/02/200214-MueSiKo.html;jsessionid=6C393B90B2A1C3A6207D1F5D7A43C4AD.1_cid378
  2. [2] The West Is Winning, Michael R. Pompeo, US Secretary of State, Munich Security Conference, München 15. Februar 2020, in: https://www.state.gov/the-west-is-winning/The West Is Winning, Michael R. Pompeo, US Secretary of State, Munich Security Conference, München 15. Februar 2020, in: https://www.cnbc.com/2020/02/15/microsoft-says-fundamental-responsibility-to-protect-us-voting.html
  3. [3] Microsoft president says big tech has ‘fundamental responsibility’ to protect US voting process, CNBC, 15. Februar 2020, in: https://www.cnbc.com/2020/02/15/microsoft-says-fundamental-responsibility-to-protect-us-voting.html
  4. [4] The West Is Winning, Michael R. Pompeo, US Secretary of State, Munich Security Conference, München 15. Februar 2020, „And let’s talk about cybersecurity. Huawei and other Chinese state-backed tech companies are Trojan horses for Chinese intelligence. Russia’s disinformation campaigns try to turn our citizens against one another. Iranian cyberattacks plague Middle East computer networks., in: https://www.state.gov/the-west-is-winning/, siehe auch Remarks by US Secretary of Defense Mark T. Esper, Munich Security Conference, München, 15. Februar 2020, „Reliance on Chinese 5G vendors, for example, could render our partners’ critical systems vulnerable to disruption, manipulation, and espionage. It could also jeopardize our communication and intelligence sharing capabilities, and by extension, our alliances. To counter this, we are encouraging allied and U.S. tech companies to develop alternative 5G solutions, and we are working alongside them to test these technologies at our military bases as we speak. In the long run, developing our own secure 5G networks will far outweigh any perceived gains from partnering with heavily subsidized Chinese providers that ultimately answer to Party leadership. In short: let’s be smart; let’s learn from the past; and let’s get 5G right so we don’t regret our decisions later. The reality of the 21st century is that many economic decisions are also national security decisions. We are not asking our partners to reject engagement with China; just the opposite. We want you to show them the right path, and nudge them down it. In the meantime, though, we ARE asking our friends to clearly choose a global system that supports democracy, protects human rights, and safeguards our greatest asymmetric advantages: our values, our shared interests, and our unmatched network of alliances and partnerships.“, in: https://www.defense.gov/Newsroom/Speeches/Speech/Article/2085577/remarks-by-secretary-of-defense-mark-t-esper-at-the-munich-security-conference/
  5. [5] Siehe: Secure 5G networks: Questions and Answers on the EU toolbox, Brüssel, 29. Januar 2020 in: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/qanda_20_127
  6. [6] Rede und Antworten des Außenministers der Russischen Föderation, Sergei Lawrow, bei der 56. Münchner Sicherheitskonferenz „Die Welt in Unordnung: Gibt es Chancen für eine neue Agenda?“, München, 15. Februar 2020, in: https://www.mid.ru/de/press_service/minister_speeches/-/asset_publisher/7OvQR5KJWVmR/content/id/4043519