Q1/2020 - Saudi-Arabische G20-Präsidentschaft
G20-Gipfeltreffen in Riad, 21. und 22. November 2020
Auch die saudi-arabische G20-Präsidentschaft gerät in den Corona-Strudel. Zwar ist das G20-Gipfeltreffen erst für den 21. und 22. November 2020 in Riad geplant, zur Vorbereitung sind aber mehr als 100 Expertentreffen im G20-Konferenzkalender. Ab Mitte März 2020 wurden eine Vielzahl der Vorbereitungstreffen (zunächst bis Ende April 2020) in den virtuellen Raum verlegt oder abgesagt.
G20 Digital Economy Task Force, Riad, 1. – 2. Februar 2020
Noch unter regulären Bedingungen fand Anfang Februar 2020 in Riad eine Serie von Konferenzen im Zusammenhang mit der 1. Tagung der G20 Digital Economy Task Force (DETF) unter saudischer Präsidentschaft statt. Die G20-DETF war unter der chinesischen G20-Präsidentschaft 2016 gegründet worden und hat sich seitdem zu einem wesentlichen Verhandlungsmechanismus entwickelt. Das offizielle Treffen der G20-DETF war am 1. und 2. Februar 2020.
G20 Cybersecurity Expertentagung, Riad, 3. Februar 2020
Erstmalig wurden die ökonomischen Themen um das Thema Cybersicherheit ergänzt durch die Veranstaltung eines gesonderten „G20 Cybersecurity Workshop“ am 3. Februar 2020. Am 4. und 5. Februar 2020 veranstaltete die saudische Regierung eine hochrangige Cybersicherheitskonferenz mit 1.200 Teilnehmern aus über 50 Ländern.
Bei der 1. Sitzung des G20-DETF unter der saudischen Präsidentschaft ging es um künstliche Intelligenz, digitalen Handel, Smart Cities und Smart Mobility sowie um die negativen wirtschaftlichen Folgen einer wachsenden grenzüberschreitenden Cyberkriminalität[1].
Die G20-DETF wird noch drei weitere Sitzungen (April, Mai und Juni 2020) haben, bevor sie ihre Empfehlungen an die Jahreskonferenz der G20-Wirtschaftsminister (22. und 23. Juli 2020 in Riad), weiterleitet. Die zu erwartenden Beschlüsse dieser G20-Ministerkonferenz fließen dann ein in die Schlusserklärung des für November 2020 geplanten G20-Gipfeltreffens.
Das Thema Cybersicherheit stand bislang nicht auf der G20-Agenda. Die saudische G20-Präsidentschaft nutzt aber die G20-DETF-Sitzung, um eine Brücke zwischen Digitalwirtschaft und Cybersicherheit zu bauen und erstmalig einen „G20-Workshop zu Cybersicherheit“ zu veranstalten.
Key Note Speaker des Workshops war Troels Oerting Jorgensen, Direktor des Zentrums für Cybersecurity des Davoser Weltwirtschaftsforum. Oerting war bis 2015 Vizedirektor von EUROPOL. Oerting verwies u.a. darauf, dass Anfang der 2020er-Jahre fünf Billionen „Cyberdevices“ an das Internet angeschlossen seien, wobei 80 Prozent im Bereich der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation operieren würden. Oerting warnte, dass neben den bekannten Risiken von Online-Diebstahl (sechs Billionen US-Dollar jährlich in den 2020er Jahren mit steigender Tendenz) und Verlust der Privatsphäre die Gefahr des Einsatzes sogenannter „Deep-Fake-Technology“ beunruhigend sei. Dies könne dazu führen, dass die Integrität des globalen Kommunikationssystems unterminiert wird und niemand mehr verifizieren kann, wer mit wem kommuniziert. Da immer mehr Daten vom privaten Sektor kontrolliert würden, führe das zu einem Kontrollverlust von Regierungen und der Notwendigkeit, das Verhältnis zwischen Regierungen und Wirtschaft neu zu justieren[2].
In der Diskussion bildeten sich Konsenspunkte heraus, die nun in die weitere Arbeit der G20-DETF einfließen sollen wie
- Cybersicherheitsfragen seien nicht primär technische, sondern politische Fragen;
- traditionelle Regulierungen greifen nicht, um den neuen Herausforderungen zu begegnen,
- es bedarf einer neuen Cybersicherheitskultur bei allen Stakeholdern,
- der Kreis der beteiligten Stakeholder bei der Suche nach Lösungen zur Stärkung der Cybersicherheit muss erweitert werden[3].
Die saudische Präsidentschaft nutzte die Expertentreffen im Umfeld der G20-Meetings, um am 4. und 5. Februar 2020 eine neue nationale Cybersicherheitskonferenz zu promoten, die als „Global Cybersecurity Forum Riyadh“ zukünftig regelmäßig stattfinden soll.
Global Cybersecurity Forum, Riad, 4. – 5. Februar 2020
Das saudische „Global Cybersecurity Forum“[4] kopiert ähnliche nationale Veranstaltungen, die seit einigen Jahren in Israel (Tel Aviv Cybersecurity Week) und Singapur (Singapore Cybersecurity Week) stattfinden. Diese Tagungen, die von den nationalen Regierungen veranstaltet werden, sind Treffpunkt von hochrangigen internationalen Internetexperten, Politikern und Vertretern der Digitalwirtschaft, und hier insbesondere der Start-up-Szene im Bereich Cybersicherheit. Mit dem Forum will sich Saudi-Arabien als ein „Key Player“ in den kommenden internationalen Diskussionen zum Thema Cybersicherheit positionieren.
Am Riad-Forum nahmen über 1.200 Experten aus mehr als 50 Ländern teil. Eröffnet wurde das Forum von Prinz Abdullah Alswaha, Minister für Kommunikation und Informationstechnologie und Chair der G20-DETF. Zu den Key Note Speakern gehörte Ciaran Martin, CEO des britischen „National Cybersecurity Centre“, David Koh, CEO der Cybersecurity Agency of Singapore und Kirstjen Nielsen, ehemalige US-Ministerin für Innere Sicherheit (Former Secretary of Homeland Security). Ehrengäste waren der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy und der ehemalige ITU-Generaldirektor Hamadoun Touré.
Am Schluss der Konferenz wurde eine „Riyadh Declaration for Cybersecurity“ veröffentlicht. Die Deklaration, die nicht von den Teilnehmern verhandelt, sondern von der saudischen Regierung formuliert wurde, enthält in fünf Komplexen insgesamt 18 Empfehlungen. Kernpunkte sind die Stärkung der nationalen Cybersicherheitsindustrie (vor allem auch durch lokale klein- und mittelständige Unternehmen), bessere Ausbildung (insbesondere unter Frauen) und strengere Gesetze zur Bekämpfung von Cyberkriminalität. Verweise auf den Schutz von Menschenrechten (Datenschutz oder Meinungsäußerungsfreiheit) fehlen in der Deklaration, ebenso wie Hinweise auf Verhandlungen zur Cybersicherheit im UN-Kontext (OEWG, UN-GGE) oder auf das Multistakeholder-Internet-Governance-Modell[5]
G20 Symposium on International Taxation der G20-Finanzminister, Riad, 22. Februar 2020
Beim Treffen der G20-Finanzminister am 22. Februar 2020 in Riad ging es vor allem um die globale Digitalsteuer[6]. Im Januar 2020 hatte die von den G20 eingesetzte Arbeitsgruppe (OECD/G20 BEPS) einen ersten Vorschlag unterbreitet, wie eine neue globale Regelung für ein internationales Steuer-Regime im Bereich der Digitalwirtschaft aussehen könnte. Die EU hat angedroht, einseitig eine Digitalsteuer einzuführen, sollte es bis Ende 2020 keine internationale Regelung geben. Der Gegenvorschlag der USA, einen sogenannten „Safe- Harbour“-Mechanismus zu etablieren, der US-amerikanischen Unternehmen die Möglichkeit geben würde, im Austausch für eine gewisse langfristige „Rechtssicherheit“ auf freiwilliger Basis Steuern zu bezahlen in Ländern, in denen sie aktiv sind und Gewinne machen, aber keine physische Präsenz haben, ist für die Europäer nicht akzeptabel. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire kommentierte den Vorschlag in Riad mit der Bemerkung: “I do not know of any private company that would choose to be taxed instead of not being taxed”[7]. US-Finanzminister Steven Mnuchin machte auf die komplizierte innenpolitische Situation in einem US-Wahljahr aufmerksam. Ein internationales Abkommen zur Digitalsteuer müsste vom US-Kongress ratifiziert werden. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz sagte dazu, dass das Thema „keine Zeit lasse, um auf Wahlen zu warten“.