Q2/2018 - Shanghai Cooperation Organisation (SCO) / BRICS

SCO-Gipfeltreffen, Tsingtao, Juni 2018

An dem 10. Gipfeltreffen der 2008 gegründeten Shanghai Cooperation Organization (SCO) im chinesischen Tsingtao nahmen neben dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping als Gastgeber auch der russische Präsident Wladimir Putin und der indische Präsident Norradim Modi teil. Indien und Pakistan waren erst Anfang 2018 der SCO beigetreten.

  1. Das Thema Internet Governance spielt im Rahmen der SCO seit einigen Jahre eine Rolle. Vor allem Russland versucht, die SCO als eine Plattform zu nutzen, um ihren in der UNO eingebrachten Vorschlag für eine internationale Cybersicherheitskonvention zu befördern. Innerhalb der SCO gibt es eine „SCO Working Group on International Information Security“, die bei ihrer letzten Sitzung im Januar 2018 in Wuhan eine Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen beim Thema Internet Governance gefordert hatte.
     
  2. Bei dem Gipfeltreffen in Tsingtao wurde ein Kommuniqué unterzeichnet, das in zwei Paragraphen grundsätzliche Positionen zum Thema Internet Governance bezieht.
  • Erstens wird die Notwendigkeit von internationalen Regeln für den Cyberspace betont und bekräftigt, dass nur die Vereinten Nationen der Platz für entsprechende Verhandlungen sein können. Gefordert wird ein „Mechanismus“ innerhalb der UN („…advocate the establishment of a working mechanism within the framework of the UN based on a just geographical distribution in order to develop standards, rules or principles for countries’ responsible behaviour in the information space“).
     
  • Zweitens bekräftigten die SCO-Staats- und Regierungschefs ihre Unzufriedenheit mit dem Status Quo bei der Verwaltung von kritischen Internet-Ressourcen. Eine Organisation, die sich mit der Verwaltung dieser Ressourcen befasst (indirekt wird hier ICANN angesprochen) müsste „international, repräsentativer und demokratisch“ sein.Offensichtlich sind China, Russland und Indien mit dem Ergebnis der IANA-Transition von 2016 nicht zufrieden. Alle drei Länder fühlen sich bei ICANN unterrepräsentiert. Keine der drei Länder ist momentan mit einem „voting member“ im ICANN Direktorium vertreten.

 


 

Vorbereitung BRICS-Gipfel, Johannesburg, Juli 2018

Da die SCO-Mitglieder China, Russland und Indien auch Mitglieder bei BRICS sind, steht zu erwarten, dass die in dem Tsingtao-Kommuniqué vertretenen Positionen zu Internet Governance auch beim kommenden BRICS-Gipfeltreffen eine Rolle spielen. Am 1. Januar 2018 hat Südafrika die BRICS-Präsidentschaft übernommen. Der nächste BRICS-Gipfel ist für Ende Juli 2018 in Johannesburg geplant.

Grundsatzrede von Chinas Präsident Xi Jinping, Beijing, April 2018

Im April 2018 hatte der chinesische Präsident Xi Jinping in einer Grundsatzrede auf einer Konferenz zum Thema „National Cybersicherheit und Digitale Wirtschaft“ die Eckpunkte einer langfristig angelegten Internet-Strategie Chinas verkündet. Xi sagte, dass ein wesentlicher Teil des „chinesischen Traums“ (Chinese Dream) die Entwicklung Chinas zu einer globalen „Cyber-Superpower“ ist, die in allen Bereichen – von der Cybersicherheit bis zur künstlichen Intelligenz – weltweit führend ist.

  • China müsse sich offen zeigen für alle Formen von Innovation in diesem Bereich. Man brauche „the best of the best“. Das sei ein „langer Cyber-Marsch in chinesischen Farben“ (march a cyber governance path with Chinese characteristics). Auf diesem „langen Marsch“ müsse man aber auch klar Positionen beziehen gegen den Missbrauch des Internet für „negative Informationen“ oder „kriminelle Aktivitäten“. Das Bewusstsein der Bevölkerung für Cybersicherheit und den Schutz von Chinas Cybersouveränität gelte es zu stärken.
     
  • Xi äußerte sich auch zum globalen Internet Governance Ecosystem. Das bestehende globale System müsste weiter „reformiert“ werden. Dabei betonte er aber, dass nicht nur die „multilaterale Zusammenarbeit“ (d.h. die Zusammenarbeit zwischen Regierungen) verstärkt, sondern auch die „multi-party“ Zusammenarbeit (das chinesische Wort für Multistakeholder-Kooperation) entwickelt werden müsse (… giving rein to the roles of all kinds of subjects, including government, international organizations, Internet enterprises, the technical community, civil bodies, individual citizens, etc.). Xi schlug eine Art „Doppelstrategie“ vor, wonach es sowohl darum gehe, die Rolle der Vereinten Nationen bei Internet Governance zu stärken, gleichzeitig aber auch die Rolle der nicht-staatlichen Akteure in diesem Bereich weiter zu entwickeln. Das sei kein Gegensatz, sondern ergänze sich (We must both promote cyber governance within the United Nations framework, and ever better give rein to the positive role of all kinds of non-State actors.).
     
  • Ein wesentliches Vehikel für diese internationale Strategie ist für Xi die „One Belt-One Road“ Initiative, mit der man vor allem Entwicklungsländer stärker an das chinesische Internet-Governance-Modell binden will. (We must, with the construction of „One Belt One Road” as juncture, strengthen cooperation with countries along the line and especially developing countries, in areas such as basic network infrastructure construction, the digital economy, cybersecurity, etc., and build a Digital Silk Road for the 21st Century). China hat z.B. bereits damit angefangen, seine im vergangenen Jahr in Kraft getretene Gesetzgebung zur Cybersicherheit anderen Ländern als Modell anzubieten. Vietnam hat im Mai 2018 unter starkem internationalen Protest seine nationale Internet-Gesetzgebung „reformiert“ und stärker an dem chinesischen Modell – einschließlich des „Great Firewall“ – ausgerichtet.

Rede von Russland Außenminister Sergei Lawrow

Der russische Außenminister Sergei Lawrow beklagte in einer Rede am 29. Mai 2018 in Moskau die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Westens bei der Lösung globaler Probleme im Cyberspace. Er verwies auf die negativen Reaktionen der westlichen Staaten gegenüber den russischen Vorschlägen in der UNO und die Zurückhaltung bei Entwicklung von bilateralen Konsultationsmechanismen. Die USA hätten den Vorschlag für die Schaffung einer ständigen bilateralen Arbeitsgruppe zu Cybersecurity bislang abgelehnt, Deutschland hätte bereits anberaumte Konsultationen zu diesem Thema kurzfristig wieder abgesagt. Russland werde vor allem die Initiativen in der UNO weiter voranbringen und dafür Partner unter den Entwicklungsländern suchen.

  • Zu den von Präsident Putin verkündeten Plänen, eine alternative Internet-Root für die BRICS-Länder zu schaffen, äußerte sich Lawrow nicht. Ein Sprecher des russischen Außenministeriums, Ilya Rogachev, sagte dazu, dass Russland nach wie vor an einem solchen Projekt arbeite, es aber nur als „ultima ratio“ in einer extremen Konfliktsituation einsetzen würde. „ We have the technical, financial, intellectual and all the rest necessary resources for this, but I don’t think that anyone really wants this. The primary thing that could lead to such outcome is the policy of our Western partners, in particular the imposing of double standards. If they continue to impose double standards then we can start talking about creating a parallel internet in Russia, as a sort of a worst-case scenario”. Die Zeitschrift „Kommersant“ berichtete über eine enge Zusammenarbeit der russischen Regierung mit der Chinesischen „Academy of Engineering“. Dort arbeiten Fang Xingbing, der Vater von Chinas „Great Firewall“.
  • Sergei Lawrow äußerte sich auch nicht zu ICANN. Beim Besuch von ICANNs CEO & Präsident Göran Marby im Mai in Moskau war es zu keinen Treffen mit einem hohen russischen Regierungsbeamten gekommen. Das zuständige Ministerium sei nach der Neubildung der Regierung unter dem alten Ministerpräsidenten Dmitri Medwedjew noch nicht arbeitsfähig gewesen, hieß es. Das Ministerium wurde mittlerweile umbenannt in „Ministerium für digitale Entwicklung, Kommunikation und Massenmedien“. Als neuer Minister wurde Konstantin Noskow berufen. Noskow ist Absolvent der „Moscow State University of Instrument Engineering and Computer Science“ und leitete zuletzt das Analysezentrum der russischen Regierung.
Mehr zum Thema
RusslandChinaBRICSQ2/2018