Q2/2020 - International Telecommunication Union (ITU)
ITU-Council, 9. – 12. Juni 2020, virtuell
Die für Juni 2020 angesetzte jährliche Sitzung des ITU-Rates wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Einige dringliche Tagesordnungspunkte wurden jedoch bei einem virtuellen Meeting zwischen dem 9. und 12. Juni 2020 diskutiert. Darunter fiel auch die Frage der Verschiebung der World Telecommunication Standardization Assembly (WTSA), die für November 2020 in Hyderabad geplant war. Die indische Regierung hat als neuen Termin den Zeitraum vom 23. Februar bis 5. März 2021 vorgeschlagen. Der ITU-Council-Sitzung lagen auch einige Bericht vor, die für Internet Governance mittelbare Bedeutung haben.
Der Bericht des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe zu „International Internet Related Public Policy Issues“ (CWG-Internet), Majed M. Al-Mazyed aus Saudi-Arabien, enthält eine kurze Zusammenfassung der Diskussionen der im September 2019 und Februar 2020 stattgefundenen Meetings. Im September 2020 soll eine offene und virtuelle Konsultationsserie der CWG-Internet zum Thema „Expanding Internet Connectivity“ stattfinden. Entscheidungen standen nicht an. Der ITU-Rat nahm den Bericht zur Kenntnis[1].
Bericht des ITU-Generalsekretärs zu Cybersecurity, 5. Mai 2020
Auch der Bericht von ITU-Generalsekretär Houlin Zhao an den ITU-Council zur Umsetzung der ITU-G7-Resolutionen 101, 102, 133, 180 und 206 wurde lediglich zur Kenntnis genommen[2]. Die fünf Resolutionen beschäftigen sich mit internet-relevanten Fragen wie Next Generation Internet, Domainamen, IP-Adressen, ENUM, Internet Exchange Points und OTT. Der Bericht enthält einen Überblick über die verschiedenen Aktivitäten der ITU-T Study Groups und Focus Groups. Nicht wenige dort behandelte Themen haben politische Implikationen wie die Ausarbeitung technischer Standards zur digitalen Videoüberwachung (SG16), Deep Packet Inspection (SG13) und zum Internet der Dinge (SG 20). Das trifft auch zu auf Themen wie Next Generation Network Interconnection, Voice over Internet Protocol, Cloud Services und Breitbandversorgung, die in den Study Groups 1 und 2 behandelt werden. Besonderes Potenzial für politische Kontroversen hat die in der „Focus Group on Technologies for Network 2030“ (FG-NET 2030) begonnene Diskussion zu einem neuen Internet-Protokoll (New IP)[3]. Die Empfehlungen der ITU-T Study und Focus Groups werden von der alle vier Jahre stattfindenden ITU World Telecommunication Standardization Assembly (WTSA) evaluiert und zur Entscheidung an die gleichfalls alle vier Jahre stattfindende ITU-Vollversammlung (Plenipotentiary/PP) weitergeleitet. Die für November 2020 in Hyderabad geplante WTSA ist auf Februar/März 2021 verlegt worden. Die nächste ITU-Vollversammlung findet im Oktober 2022 in Bukarest statt.
Dem ITU-Council lag auch ein Bericht des ITU-Generalsekretärs zu den Richtlinien für die Anwendung der Global Security Agenda (GSA) vor.
Die GSA der ITU entstand im Gefolge des WSIS-Prozesses. Im „WSIS Geneva Plan of Action“ (2003) war die ITU als die Leitorganisation für die Umsetzung der WSIS-Aktionslinie C5 „Building Confidence and Security in the Use of ICTs“ benannt worden. Die ITU-Vollversammlung 2006 in Antalya beauftragte den damals amtierenden ITU-Generalsekretär Hammadou Toure eine ITU-Cybersicherheitsagenda zu entwerfen. Eine „High Level Expert Group“ (HLEG) unter Leitung des norwegischen Richters Stein Schjølberg legte 2009 einen Bericht vor, dessen fünf Empfehlungen (Pillars) von der ITU-Vollversammlung 2010 in Guadalajara bestätigt wurden. Die CSA und der HLEG-Bericht gelten seither als Leitlinie für die ITU-Aktivitäten im Bereich von Cybersicherheit. Die ITU-Vollversammlung 2018 in Dubai hat eine Evaluierung der GSA beschlossen. Die ITU begann daraufhin eine Konsultation. Die Kommentare der ITU-Mitglieder flossen ein in den jetzt vorgelegten Bericht von ITU-Generalsekretär Houlin Zhao an den ITU-Council.
Die GCA umfasst fünf Bereiche:
- Rechtliche Maßnahmen (Erfahrungsaustausch bei der Ausarbeitung nationaler Cybersicherheitsgesetze, internationale Abkommen wie zur Cybersicherheit des Europarates, der Afrikanischen Union, der ASEAN Länder und Cybersicherheitsverhandlungen in der UNO),
- technische Maßnahmen (Standardisierung und Kollaboration mit anderen Standards Development Organisations/SDOs wie IETF, 3GPP, OEEE, ETSI),
- Organisatorische Strukturen (Aufbau von Computer Incident Response Teams (CIRTS/CERTS) und Förderung der internationalen Zusammenarbeit (FIRST),
- Kapazitätsbildung (Ausbildungsprogramme insbesondere für Regierungsvertreter in Entwicklungsländern und Förderung des öffentlichen Bewusstseins),
- Internationale Zusammenarbeit (Koordinierung innerhalb des UN-Systems, WSIS-Forum und IGF, Multistakeholder-Zusammenarbeit).
Der Bericht des ITU-Generalsekretärs vom 5. Mai 2020 sieht keine Notwendigkeit, gravierende Veränderungen an der Struktur der GSA und den HLEG-Empfehlungen von 2009 vorzunehmen. Er enthält aber einige interessante Nuancen, die die Rolle der ITU in den globalen Cybersicherheitsverhandlungen in den 2020er Jahren – auch im Zusammenhang mit der UN-Roadmap for Digital Cooperation – neu justieren könnten. Der Bericht
- betont wie selten zuvor die Rolle der ITU als eine „Multistakeholder-Organisation“ und die Bedeutung der Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern[4];
- bettet die ITU ein in das komplexe und sich dynamisch entwickelnde globale „Cybersecurity Ecosystem“, beansprucht aber eine führende Rolle innerhalb der UN-Familie für Fragen der Cybersicherheit;
- bezeichnet Cybersecurity als eine der zentralen Fragen der internationalen Politik der 2020er Jahre, die auf höchster politischer Ebene von den Staats- und Regierungschefs besprochen werden müssten und schlägt dazu einen ganzheitlichen Ansatz vor (Whole-in-Government-Approach)[5];
- erinnert die ITU-Mitgliedsstaaten daran, dass sie bei der Verabschiedung nationaler Gesetze zu Cybersicherheit sich ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen aus dem Völkerrecht bewusst sein müssen[6];
- betont das begrenzte Mandat der ITU, das sich auf die Bereiche Technik und Entwicklung erstrecke (ITU’s focus has been on the areas of cybersecurity that are within its core mandate and expertise, notably the technical and development spheres);
- bietet die ITU-T Study Group 17 an als globaler Koordinator für Cybersicherheitsstandards[7];
- bietet Entwicklungsländern Hilfe an beim Aufbau von Kapazitäten für eine effektive Cybergefahrenabwehr (CERTS/CIRTS) und bei der Ausarbeitung nationaler Gesetze;
- will sich mittels des Aufbaus von Repositories und Indexes zu Cybersicherheit und als Plattform zum Austausch von Erfahrungen bei der Umsetzung nationaler Cybersicherheitsstrategien und Gesetze als Dienstleister für die globale Community profilieren;
- anerkennt die Rolle von Multistakeholder-Diskussionsplattformen als wichtigen Partner für die ITU und differenziert dabei zwischen dem WSIS-Forum, das mehr für die SDGs, und dem Internet Governance Forum, das mehr für die Governance zuständig sei[8];
- bietet sich an, bei der Umsetzung der Empfehlung 4 des UN High-level Panels on Digital Cooperation (Global Commitment on Trust and Security) eine führende Rolle zu übernehmen[9].
Der Bericht gibt sechs Empfehlungen für die Positionierung der ITU im sich weiter entwickelnden globalen Cybersicherheits-Ecosystem[10].
ITU-Konferenzen, WSIS Forum & AI for Good Summit, Genf
Die für das 2. Quartal 2020 geplanten ITU-Konferenzen „WSIS-Forum“ und „Artificial Intelligence for the Global Good Summit“ sind verschoben worden und werden als Serie von virtuellen Meetings durchgeführt. Das betrifft auch das als Teil des WSIS-Forums geplante High-level Meeting WSIS+15. Das „WSIS-Forum“ begann am 20. Juni 2020 und wird mit einer Abschlusswoche zwischen dem 7. und 10. September 2020 enden. Als Chairman von WSIS+15 und dem WSIS-Forum wurde Minister Gustavo Montalvo aus der Dominikanischen Republik benannt[11]. Auch der ITU-Gipfel zur künstlichen Intelligenz wird in Form einer Serie von virtuellen Workshops zwischen dem 21. und 25. September 2020 stattfinden[12].