Q2/2020 - Quartalsbericht Zusammenfassung
Die globale Diskussion zu Internet Governance war im 2. Quartal 2020 - wie alle anderen internationalen Entwicklungen - überschattet von der Corona-Krise. Konferenzen wurden abgesagt, Verhandlungen ausgesetzt, Zeitpläne gerieten durcheinander. Viele Aktivitäten verschoben sich in den virtuellen Raum.
Internet: Fluch und Segen in der Pandemie
Eine der offensichtlich nachhaltigsten Nebeneffekte der Pandemie ist eine enorme Beschleunigung der globalen Digitalisierung. Homeoffice, Fernlernen, Onlineshopping, Videokonferenzen, all das ist nicht neu. Hat man aber noch vor Jahresfrist deutlich zwischen Online- und Offline-Aktivitäten unterschieden, so sind in der Covid-19-Krise die reale und virtuelle Welt in nie dagewesener Weise miteinander verschmolzen.
Das betrifft auch die globale Internet-Governance-Diskussion, in der sich neue Formate, neue Themen und neue Player herausbilden. Die Prioritäten verändern sich. Wie nie zuvor wurde der Zugang zum Internet, die allgemeine Verfügbarkeit digitaler Dienste sowie die Funktionssicherheit des öffentlichen Kerns des Internets (public core) als eine für die allgemeine Daseinsvorsoge kritische Infrastruktur erkannt. Vorschläge, das Recht auf Zugang zum Internet als ein Grundrecht jedes Einzelnen verfassungsmäßig zu verankern und den Schutz des öffentlichen Kerns des Internets international rechtlich abzusichern, haben durch die Pandemie eine neue Dringlichkeit erhalten.
Andererseits hat die Pandemie die bestehenden digitalen, wirtschaftlichen und sozialen Spaltungen verstärkt und zu einem gravierenden Anstieg von Cyberkriminalität geführt. Es gab Cyberangriffe auf die WHO, auf Krankenhäuser und medizinische Forschungseinrichtungen. Fakenews und Verschwörungstheorien zum Corona-Virus wurden über das Internet in sozialen Netzwerken verbreitet. Spendengelder wurde mit Phishing Mails erbeutet. Zoombombing sabotierte Videokonferenzen. Im Schatten der Corona-Krise eskalierten wechselseitige Cyberangriffe zwischen Israel und Iran sowie zwischen Russland und der Ukraine.
Die Pandemie hat auch die Spannungen zwischen den beiden Cybersupermächten USA und China verstärkt. Einige Beobachter sehen in der Pandemie den Auslöser von tektonischen Verschiebungen im System der internationalen Beziehungen. Die dabei entstehende „neue Weltordnung“ wäre eine „digitale Ordnung“, in der der Cyberspace zum Schauplatz internationaler Konflikte und Rivalitäten würde. Diese neue digitale Weltordnung wäre zwar multipolar konstituiert und umfasse sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure, würde aber überwölbt von einem politischen und ökonomischen Konflikt zwischen den USA und China sowie einem gesellschaftlichen Gegensatz zwischen einer demokratischen und einer autokratischen Version der globalen Informationsgesellschaft.
UN-Roadmap for Digital Cooperation
Ungeachtet des globalen Lockdowns gab es jedoch im 2. Quartal 2020 keinen Stillstand in der Diskussion über die Weiterentwicklung des bestehenden globalen Internet-Governance-Ecosystems. Ein Großteil der internationalen Verhandlungen zu Internet Governance wurde im virtuellen Raum weitergeführt. Eine Reihe von wichtigen Konferenzen wurde aber verschoben. Gleichzeitig entwickelten sich neue Formen des Multistakeholder-Kooperationsmodells.
Von herausragender Bedeutung im 2. Quartal 2020 war die Präsentation der „UN-Roadmap for Digital Cooperation“ durch UN-Generalsekretär Antonio Guterres am 11. Juni 2020. Die Roadmap basiert auf den Empfehlungen des von Guterres eingesetzten UN High-Level Panels on Digital Cooperation (HLP), das unter Leitung der beiden Co-Chairs Melinda Gates und Jack Ma genau ein Jahr zuvor, am 11. Juni 2019, seinen Abschlussbericht vorgelegt hatte. Die UN-Roadmap bietet die Vereinten Nationen an nicht als „Weltregierung des Internet“, sondern als eine “Plattform für den Multistakeholder-Dialog“. Dieser Dialog soll von einem „Technology Envoy“ organisiert werden, den der UN-Generalsekretär im Januar 2021 berufen will. Die Roadmap definiert acht Aktionsfelder, auf denen die globale Digitalisierung in den zehn Jahren bis 2030 – dem Zieldatum für die Erreichung der nachhaltigen UN-Entwicklungsziele (SDGs) – vorangetrieben werden soll. Die Roadmap spricht sich auch aus für eine behutsame Reform der Architektur der in den letzten 20 Jahren gewachsenen Mechanismen im Internet-Governance-Ecosystem. Präferiert wird das vom HLP empfohlene Modell eines gestärkten und erweiterten Internet Governance Forum (IGF+).
Vier Kernbereiche
Im 2. Quartal 2020 gab es in allen vier Kernbereichen des Internet-Governance-Ecosystems (Cybersicherheit, digitale Wirtschaft, Menschenrechte, Technologieentwicklung) bemerkenswerte Entwicklungen.
Cybersicherheit
Ein Novum gab es im Bereich von Cybersicherheit. Erstmals befasste sich der UN-Sicherheitsrat in einer gesonderten Sitzung am 22. Mai 2020 (einem sogenannten „Arria Formula Meeting“[1]) ausschließlich mit dem Thema Cybersicherheit. Die unter dem 1. Ausschuss der UN-Vollversammlung operierenden beiden UN-Verhandlungsgruppen zu Cybersicherheit – die „Group of Governmental Experts (UN-GGE) und die „Open-Ended Working Group“ (OEWG) – setzten ihre Arbeit im virtuellen Raum fort. Der Chair der OEWG, der Schweizer Botschaft Jürg Lauber, legte am 25. Mai 2020 einen zweiten Entwurf seines Abschlussberichtes vor, regte aber an, das in diesem Jahr auslaufende Mandat der OEWG um ein Jahr zu verlängern.
Digitale Wirtschaft
Im Bereich der digitalen Wirtschaft hat die Verlegung der für Juli 2020 in Nur-Sultan (Kasachstan) geplanten Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) auf den Sommer 2021 Auswirkung auf die geplante internationalen Regelung des elektronischen Geschäftsverkehrs. Ein aus dem Jahr 1998 stammendes Moratorium, keine Zölle auf grenzüberschreitende digitale Dienstleistungen zu erheben, sollte bei der WTO-Ministerkonferenz durch einen neuen Vertrag zum globalen digitalen Handel ersetzt werden.
Auch die OECD/G20 (BEPS) Verhandlungen zur Schaffung eines globalen Regimes für eine Digitalsteuer sind von der Pandemie betroffen. Nach dem ursprünglichen Plan sollte eine globale Vereinbarung bis Ende 2020 erreicht werden. Das Europäische Parlament hatte im Dezember 2019 einen Beschluss gefasst, in dem angedroht wird, eine eigene europäische Digitalsteuer einzuführen, sollte bis zum 31. Dezember 2020 keine globale Lösung gefunden werden. Bei der virtuellen Sitzung der Finanzminister und Notenbankpräsidenten der G20 im April 2020 eskalierte jedoch der Streit insbesondere zwischen den USA und Frankreich. Am 16. Juni 2020 teilte der US-amerikanischen Finanzminister Steven Mnuchin mit, dass sich die US-Regierung nicht länger an den OECD/G20 (BEPS) Verhandlungen beteiligen wird.[2] OECD Generalsekretär Ángel Gurría erklärte darauf, dass die OECD die Verhandlungen trotzdem fortsetzen und an ihrem Zeitplan festhalten wolle. Mittlerweile haben sich auch die BRICS-Finanzminister für eine globale Digitalsteuer ausgesprochen. Weltweit steigt der Druck, die enormen finanzielle Ausgaben in der Pandemie-Krise durch die Erschließung neuer Einnahmequellen – u.a. von den US-amerikanischen Internetkonzernen, die in der Krise erhebliche zusätzliche Gewinne gemacht haben, zu kompensieren.
Menschenrechte
Im Bereich der Menschenrechte wurde im 2. Quartal 2020 durch die Pandemie die Diskussion um Datenschutz (im Zusammenhang mit Tracing Apps) und Meinungsäußerungsfreiheit (im Zusammenhang mit Des-Informationskampagnen, Verschwörungstheorien und Fake News) neu angefacht. Der UN-Menschenrechtsrat, der im Juni 2020 virtuell tagte, drückte sich jedoch vor einer intensiven Diskussion zu diesen Themen. Vorschläge zur Ausarbeitung einer völkerrechtlichen Konvention gegen anlasslose Massenüberwachung stoßen nach wie vor bei der Mehrheit der Regierungen im UN-Menschenrechtsrat auf taube Ohren.
Ebenfalls neu thematisiert wird die Medienfreiheit. Am 3. Mai 2020, dem UNESCO Welttag der Pressefreiheit, wandten sich der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsäußerungsfreiheit und die OSZE mit einer Erklärung zu „Meinungsfreiheit und Wahlen im Digitalen Zeitalter“ an die Öffentlichkeit mit der Forderung, Staaten sollten alle notwendigen regulatorischen Vorkehrungen treffen, damit „freie, unabhängige und pluralistische Medien“ bei Wahlen Bürger mit „umfassenden, akkuraten und vertrauenswürdigen Informationen über Parteien, Kandidaten und den Wahlprozess“ versorgen.
Auch die ITU gerät in den Fokus der Menschenrechtsdiskussion. Die in den ITU-T Study-Groups 13 und 17 auf der Tagesordnung stehende Ausarbeitung technischer Standards für digitale Gesichtserkennung und Video-Massenüberwachung haben das Potenzial, bestehende Menschenrechtsstandards zu unterlaufen.
Technologie
Im Bereich neuer Technologien ging es auch im 2. Quartal 2020 vor allem um künstliche Intelligenz und technische Standardisierung. In der UNESCO hat die Ad-hoc-Expertengruppe zur Ausarbeitung eines neuen normativen Instruments zu „Ethik und künstliche Intelligenz“ (ADEC) am 15. Mai 2020 einen ersten Entwurf für eine Empfehlung vorgelegt. Am 15. Juni wurde die OECD als Sekretariat für die neu geschaffene „G7 Global Partnership on Artificial Intelligence“ (GPAI) benannt. Die OSZE bereitet für den 6. Juli 2020 eine hochrangige Expertenkonferenz zum Thema „Informationsfreiheit und künstliche Intelligenz“ als Online-Event vor. Im Europarat arbeitet ein Ad-hoc Committee on Artificial Intelligence (CAHAI) an einem Dokument zum Thema „Menschenrechte und künstliche Intelligenz“. Die ITU wird ihren „AI for Good Summit“ in einer sich über mehrere Wochen hinziehenden Serie von virtuellen Seminaren organisieren.
Konflikte bauen sich zusätzlich auf in den Study- und Focus-Groups der ITU-T zu Themen wie den technischen Standards für digitale Gesichtserkennung, der Video-Massenüberwachung, dem Internet der Dinge, Smart Cities und New IP. Die für November 2020 geplante alle vier Jahre stattfindende „World Telecommunication Standardisation Assembly“ (WTSA), auf der die Empfehlungen der ITU-T-Study- und Focus-Groups besprochen werden, ist auf Februar 2021 verschoben worden.
Auch außerhalb des etablierten internationalen Verhandlungsmechanismus gab es im 2. Quartal 2020 eine Reihe von Entwicklungen, die unmittelbar auf das globale Internet-Governance-Ecosystem einwirken.
Im Schatten der Covid-19-Krise ist der Cyberkrieg zwischen Israel und dem Iran eskaliert. Nach der Tötung eines iranischen Generals durch eine US-amerikanische Drohne attackierte der Iran im April 2020 Kernbereiche der israelischen Wasserversorgung. Der Cyberangriff schlug fehl und der Iran dementierte die Aktion. Israel reagierte daraufhin im Mai 2020 mit einem Cyberangriff auf eine iranische Hafenanlage in der Straße von Hormus. Israels Cybersicherheitschef sprach in diesem Zusammenhang von einem „Wendepunkt“ bei der Nutzung von offensiven Cyberkapazitäten bei hybriden militärischen Auseinandersetzungen und prognostizierte einen „Cyberwinter“. [3] Eine Welle von Cyberangriffen vermeldete die Ukraine. Am 19. Juni 2020 informierte Australien über einen massiven und koordinierten Cyberangriff auf Dutzende von Regierungsbehörden.
Im Bereich der digitalen Wirtschaft eskaliert ein digitaler Handelskrieg zwischen China und den USA. Im Kern geht es um Huawei und 5G. Die USA haben das Sanktionsinstrumentarium gegen Huawei erheblich ausgeweitet. Auf andere Regierungen wurde Druck ausgeübt, der US-Linie zu folgen. Im Mai 2020 unterzeichneten die USA und Tschechien eine gemeinsame Deklaration zu 5G.[4] In Brasilien übernahm die USA die Finanzierung alternativer Anbieter zum Aufbau des nationalen 5G-Netzes.[5] China wiederum verstärkt die Expansion seiner Internetunternehmen im Rahmen des Projekts „digitale Seidenstraße“. Neben Afrika wird zunehmend auch Europa und Amerika anvisiert. Huawei plant den Bau einer Fabrik in Frankreich. Der mobile Bezahldienst AliPay und die App „TikTok“ werden auch „im Westen“ immer populärer. Im Mai 2020 ist es zu einem bizarren Rechtsstreit zwischen zwei chinesischen Anbietern (Zym vs. TikTok) auf dem amerikanischen Markt gekommen. „Zym“ ist eine „TikTok“-Variante des chinesischen Internetriesen Tencent, der auch die App „We Chat“ betreibt. „We Chat“ hat über eine Milliarde Nutzer weltweit.[6]
Zwischenstaatliche Ebene
Im Einzelnen waren im 2. Quartal 2020 auf der zwischenstaatlichen Ebene die folgenden Aktivitäten von Belang:
- Der UN-Sicherheitsrat hielt am 25. Mai 2020 eine Sondersitzung nach dem „Arria-Format“ zum Thema Cybersicherheit ab;
- Am 11. Juni 2020 präsentierte der UN-Generalsekretär seine „UN-Roadmap for Digital Cooperation“;
- Am 25. Mai 2020 legte der Schweizer Botschafter Jürg Lauber, Chair der Open-Ended Working Group zur Cybersicherheit, die 2. Version seines Berichts für die UN-Vollversammlung sowie einen revidierten Zeitplan vor, der eine Verlängerung des Mandats der OEWG bis 2021 vorsieht;
- Der Zeitplan der amerikanischen G7-Präsidentschaft für 2020 ist durch die Corona-Krise durcheinander geraten. Das für Juni 2020 geplante G7-Gipfeltreffen in Camp David sollte zunächst als virtuelles Meeting, dann als reales Meeting in Washington durchgeführt und später auf September 2020 (unter Einbeziehung von Russland, Indien und einigen weiteren Staaten) verschoben werden. G7-Ministerkonferenzen wurden reduziert und fanden als virtuelle Meetings statt;
- Die saudische G20-Präsidentschaft hat relativ zügig die Umstellung auf virtuelle Meetings bewältigt. Im 2. Quartal 2020 fanden Videokonferenzen der G20-Finanz-, Handels- und Digitalminister statt. Auch die G20 Digital Economy Task Force (DETF) blieb im Zeitplan;
- Am 25. Mai 2020 hat die russische Regierung bekanntgegeben, die für Juli 2020 in St. Petersburg geplanten BRICS- und SCO-Gipfeltreffen zu verschieben. Ein neuer Zeitpunkt wurde nicht verlautbart;
- Die OECD hat angekündigt, trotz der Pandemie und dem Austritt der US-Regierung aus den Verhandlungen die Arbeit an dem konsolidierten Vorschlag für eine globale Digitalsteuer weiterzuführen;
- Die WTO hat die 12. Ministerkonferenz, die im Juni 2020 in Kasachstan stattfinden sollte, auf 2021 verschoben worden;
- Die UNCTAD hat am 27. April 2020 ihren Jahresbericht zu eCommerce vorgelegt. Der digitale Handel ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent gestiegen und auf 25,6 Billionen US$ angewachsen;
- Bei der 23. Sitzung der United Nations Commission on Science and Technology Development (CSTD) wurden bei der Diskussion zur Umsetzung der WSIS-Beschlüsse erste Weichen zur Vorbereitung der nächsten Überprüfungskonferenz WSIS+20 (2025) gestellt;
- Die EU-Kommission hat am 25. Mai 2020 in ihrem 750 Milliarden € schweren Unterstützungspaket zur Bewältigung der Corona-Krise der Digitalisierung Europas Priorität eingeräumt;
- Das Ministerkomitee des Europarates hat am 8. April 2020 eine Empfehlung zum Thema „Menschenrechte und Algorithmen“ angenommen;
- Die Afrikanische Union hat am 18. Mai 2020 ein umfangreiches Strategiepapier zur digitalen Transformation Afrikas bis zum Jahr 2030 verabschiedet;
- In der UNESCO hat die Ad-hoc-Expertengruppe (AHEG) zur Ausarbeitung eines normativen Instruments zur Ethik künstlicher Intelligenz am 15. Mai 2020 einen ersten Textentwurf vorgestellt;
- Die für Juni 2020 geplante Sitzung des ITU-Councils wurde verschoben. Der Tagung lag u.a. ein Bericht von ITU-Generalsekretär Houlin Zhao zur Cybersicherheitsagenda der ITU vor;
- Die WIPO hat am 21. Mai 2020 ein zweites „Issues Paper“ zum Thema „Geistiges Eigentum und künstliche Intelligenz“ zur Diskussion gestellt;
- Die OSZE bereitet eine virtuelle Konferenz zum Thema „Freie Meinungsäußerung und künstliche Intelligenz“ für Juli 2020 vor;
- Bei der 44. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats, die Ende Juni 2020 virtuell stattfand, standen die Themen Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter und Meinungsäußerungsfreiheit nicht explizit auf der Tagesordnung,
- INTERPOL hat am 6. Mai 2020 eine Kampagne „Wash Your Cyberhands“ gestartet und eine Publikation zu neuen Gefahren durch Cyberkriminalität in Zeiten der Covid-19-Krise vorgelegt.
Multistakeholder Ebene
Auf der Multistakeholder- und nicht-staatlichen Ebene sind im 2. Quartal 2020 die folgenden Aktivitäten zu verzeichnen:
- Die polnische Regierung, Gastgeber des 15. IGF im November 2020, hat am 14. Juni 2020 bekanntgegeben, dass das IGF als virtuelles Meeting stattfindet und Kattowitz im Jahr 2021 das 16. IGF veranstaltet. Das 17. IGF (2022) und das 18. IGF (2023) finden in Äthiopien und Japan statt;
- EURODIG13, geplant für Juni 2020 in Triest, fand als virtuelles Meeting statt. Mehr als 1.000 Teilnehmer hatten sich für das Online-Event registriert. Triest wird 2021 EURODIG14 ausrichten.
- Die Freedom Online Coalition hat am 8. Juni 2020 ein Statement zu Thema „Covid-19 und Internet Freedom“ veröffentlicht;
- Das in Den Haag ansässige „Global Forum on Cyberexpertise“ (GFCE) hat im Juni 2020 einen Workshop zur Koordinierung öffentlicher Kampagnen zur Cybersicherheit durchgeführt;
- Die Broadband Commission for Sustainable Development hat am 2. April 2020 einen Aktionsplan für Entwicklungsländer zur Stärkung der digitalen Infrastruktur in der Corona-Krise verabschiedet;
- Die von Siemens initiierte „Charter of Trust“ hat am 23. Juni 2020 eine Initiative zu einem erweiterten und strukturierten Informationsaustausch über Cyberbedrohungen gestartet;
- Der von Microsoft initiierte „Tech Accord“ hat am 30. April 2020 einen Wettbewerb für digitale Dienste, die den Cyberfrieden fördern (Apps4Digital Peace) gestartet;
- Die Global Cybersecurity Alliance hat am 16. Juni 2020 ein Memorandum of Understanding (MoU) mit ICANN zur Stärkung der DNS-Sicherheit unterzeichnet.
Jüri Ratas, Ministerpräsident von Estland, Virtuelles Aria-Formula-Meeting des UN-Sicherheitsrates, 22. Mai 2020Erlauben Sie mir, drei entscheidende Elemente hervorzuheben, die Schutz im Internet gewährleisten:
Erstens: Schon vor langer Zeit haben sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen darauf geeinigt, dass das bestehende Völkerrecht auch im Cyberspace gilt. Wir sind der Überzeugung, dass das bestehende Völkerrecht umfassende Richtlinien für das Verhalten von Staaten enthält, unabhängig von der jeweiligen Domäne. Wenn wir uns an diesen einfachen Grundsatz halten, kann das Verhalten von Staaten im Cyberspace transparenter und vorhersagbarer werden.
Zweitens: Estland ist der Meinung, dass mit dem bestehenden Völkerrecht, freiwilligen Normen für verantwortungsvolles Verhalten von Staaten und vertrauensbildenden Maßnahmen bereits ein Rahmenwerk für Stabilität und Konfliktverhütung im Cyberspace etabliert ist. Jetzt muss dieses Rahmenwerk umgesetzt werden. Regionale Anstrengungen werden entscheidend sein für Konfliktprävention und die Steigerung von Transparenz und Vorhersagbarkeit.
Das dritte Schlüsselelement ist für Estland, die Bedeutung des Aufbaus von Kapazitäten für eine verbesserte Stabilität im Cyberspace anzuerkennen. Betrachtet man die Welt in ihrer Gesamtheit, stellt man enorme Unterschiede zwischen den Staaten hinsichtlich der Fähigkeit fest Cyberbedrohungen zu meistern. Wir alle müssen hier unsere Expertise und unsere Ressourcen mobilisieren, das ist unser aller Verantwortung. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts hat Estland seine Best Practices zur Weiterentwicklung von E-Governance und zum Aufbau von Cyber-Resilienz mit vielen Partnerländern in Asien, Afrika und Lateinamerika geteilt. In Zeiten der aktuellen globalen Pandemie ist es wichtiger denn je, das Bewusstsein für Cyberbedrohungen zu schärfen und Best Practices zu teilen. Ein weiterer entscheidender Beitrag wäre es, die Rolle der Privatwirtschaft beim Aufbau von Cyberesilienz anzuerkennen. Wir möchten zudem den Beitrag unterstreichen, den alle anderen Stakeholder, einschließlich des Wissenschaftssektors und der Zivilgesellschaft, bei der Förderung der Stabilität im Cyberspace leisten. Meine Damen und Herren,
Estland unterstützt ein offenes, freies und stabiles Internet, in dem das Rechtsstaatsprinzip gilt und die Menschenrechte und Grundfreiheiten respektiert werden, und es wird dies auch in Zukunft tun. Wir sind heute hier – wenn auch nur digital – in einem entscheidenden Moment zusammengekommen. Einen offenes und sicheres Internet zu erhalten ist unsere gemeinsame Verantwortung – nicht nur in der aktuellen Krise, sondern weit darüber hinaus.