Q2/2021 - Britische G7-Präsidentschaft
G7-Gipfeltreffen, Carbis Bay, 11. – 13. Juni 2021
Das erste physische Gipfeltreffen der G7 seit Ausbruch der Pandemie fand unter britischer Präsidentschaft vom 11. bis 13. Juni 2021 in Carbis Bay statt. Nach dem Amtsantritt des neuen US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden diente es als eine Orientierung und Neu-Justierung westlicher Politik in einer sich verändernden Welt mit Blick auf die Überwindung der Folgen der Pandemie, dem Klimawandel und neuen geo-strategischen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Politik Chinas und Russlands. Internet Governance relevante Fragen standen bei vier Themenkomplexen auf der Tagesordnung: Zukunft der Demokratie, Cybersicherheit, digitale Wirtschaft und zukünftige Herausforderungen. Das „Carbis Bay G7 Summit Communique“ fasst auf 25 Seiten in insgesamt 70 Paragraphen die Gipfelergebnisse zusammen. [1] Mit der vom G7-Gipfel beschlossenen Agenda „Build Back Better for the World“ (B3W) soll ein Gegengewicht zur chinesischen „Seidenstraßen-Initiative“ – die auch das Projekt einer „digitalen Seidenstraße“ enthält – geschaffen werden.
- Im Abschnitt zur Zukunft der Demokratie wird auf die westlichen Grundwerte verwiesen, die im internationalen Dialog stärker zum Tragen kommen müssten. Dabei wird auf ein freies Internet verwiesen. „We will work together as part of an ongoing agenda towards a trusted, values-driven digital ecosystem for the common good that enhances prosperity in a way that is sustainable, inclusive, transparent and human-centric. In doing so we will make it a sustained strategic priority to update our regulatory frameworks and work together with other relevant stakeholders, including young people, to ensure digital ecosystems evolve in a way that reflects our shared values. We commit to preserve an open, interoperable, reliable and secure internet, one that is unfragmented, supports freedom, innovation and trust which empowers people.“[2]
- In den Abschnitten zur Cybersicherheit werden die Verhandlungen im Rahmen der UNO begrüßt und vor allem an China und Russland appelliert, Cyberangriffe einzustellen und von ihrem jeweiligen Territorium ausgehende cyberkriminelle Aktivitäten mit Erpressungssoftware zu unterbinden. [3]
- In den Abschnitten zur digitalen Wirtschaft wird die Einigung über die Reform des internationalen Steuersystems, das die Einführung einer globalen Digitalsteuer einschließt, begrüßt. Es wird der Erwartung Ausdruck verliehen, dass bei dem G20-Treffen der Finanzminister im Juli 2021 in Venedig grünes Licht für ein entsprechendes Abkommen gegeben wird. Zum digitalen Handel setzen sich die Staats- und Regierungschefs der G7 für eine reformierte Welthandelsorganisation (WTO) ein. Sie wollen sich bei der 12. WTO-Ministerkonferenz im November 2021 in Genf für substantielle Fortschritte bei den Verhandlungen für einen globalen Vertrag zu digitalem Datenhandel und eCommerce einsetzen. [4]
- Die Behandlungen zukünftiger Herausforderungen ist ein Standardthema bei den G7-Gipfeltreffen. Erstmalig wurde im Rahmen der G7 dabei auf die strategische Bedeutung von digitalen technischen Standards bei der Weiterentwicklung des Internet eingegangen. Die Staats- und Regierungschefs sanktionierten das von den G7-Digitalministern im April 2021 verabschiedete „Framework for G7 Collaboration on Digital Technical Standards“. Im September 2021 soll in London ein „Future Tech Forum“ durch die G7 organisiert werden. Im November 2021 ist ein Gipfel zur künstlichen Intelligenz in Paris geplant. [5]
Treffen G7-Digitalminister, 28. April 2021
Beim virtuellen Treffen der G7-Digitalminister am 28. April 2021 wurde ein umfassendes Programm für eine mittelfristige Strategie zur Sicherung eines offenen und demokratischen Internet-Governance-Ecosystem verabschiedet. Das Programm enthält erstmalig auch den Vorschlag für ein Rahmenwerk zur Entwicklung digitaler technischer Standards. Das Programm enthält insgesamt sechs Bereiche:
- Im Abschnitt „Promoting Secure, Resilient, and Diverse Digital, Telecoms, and ICT Infrastructure Supply Chains“ [6] geht es primär um die Sicherheit und Integrität von Lieferketten, vor allem beim Aufbau einer 5G-Infrastruktur. Verwiesen wird auf die „Prague Proposals“ von 2019 und die EU-5G-Toolbox. Es sollen „Points of Contacts“ (PoP) eingerichtet werden. Die Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft soll langfristig stabilisiert werden.
- Im Abschnitt „A Framework for G7 Collaboration on Digital Technical Standards“ [7] setzen sich die Minister dafür ein, die Ausarbeitung digitaler technischer Standards in den Händen der Wirtschaft zu belassen: „The industry-led digital technical standards ecosystem has been a catalyst for the growth and adoption of the Internet and digital technologies“. Technische Standards würden auch Wertvorstellungen reflektieren. Daher wollen sich die G7-Staaten dafür einsetzen, dass zukünftige digitale technische Standards westliche Werte spiegeln. Das beträfe insbesondere die kontinuierliche Entwicklung eines offenen, interoperablen, vertrauenswürdigen, sicheren und unfragmentierten Internet, das Freiheit und Innovation fördert. Die Minister sprechen sich dagegen aus, technische Standardisierungsprozesse in zwischenstaatliche Gremien zu verlagern: „We firmly state our opposition to any government-imposed approaches that fundamentally seek to reshape the digital technical standards ecosystem.“ Sie betonen aber auch, dass Regierungen im Standardisierungsprozess eine Rolle spielen können und müssen: „Governments play an important role in supporting standardisation that bolsters open societies and democratic values in specific areas of digital technical standards development“. In einem eigenständigen Dokument „Annex 1: Framework for G7 Collaboration on Digital Technical Standards“ haben sich die G7-Digitalminister auf insgesamt zehn konkrete Vorhaben geeinigt:
- We will identify shared interests in the development of digital technical standards and will promote national and international best practice for inclusive engagement in digital technical standards setting.
- We will facilitate multi-stakeholder dialogue on important digital technical standards issues and the sharing of best practices that enable all relevant stakeholders to work together more effectively within the processes and fora used to develop standards.
- We will support multi-stakeholder efforts and strategic communications activity to raise awareness of the importance of engaging in technical standards development.
- We will contribute to specific areas of digital technical standards development as part of the multi-stakeholder community where there are significant real-world implications that could affect our citizens, our shared values as open and democratic societies, or our shared economic prosperity.
- We will work with stakeholders towards more inclusive development and deployment of Internet protocols that contribute to and protect the continuing evolution of an open, interoperable, reliable, and secure Internet, one that is unfragmented, supports freedom, innovation and trust, and empowers people.
- We will collaborate with stakeholders to track emerging digital technical standards proposals that may have a wider societal impact.
- We will support stakeholders and SDOs to strengthen and uphold integrity in the development of digital technical standards. This includes ensuring that applicable technical standards consider existing internationally recognised digital technology norms and principles, such as: the OECD Principles on Artificial Intelligence; the OECD Principles for Internet Policy Making; the WTO Agreement on TBT Code of Good Practice; and the TBT Committee Decision on Principles for the Development of International Standards. These efforts would seek to add value through international alignment.
- We will support capacity building among civil society and other experts to increase participation in digital technical standards development. HELP under-represented stakeholders to engage in relevant standards discussions to overcome barriers to entry, for example through including civil society representation in national delegations at key international fora.
- We will support liaison and coordination between SDOs to avoid unnecessary duplication and maintain adherence to the WTO Agreement on TBT Code of Good Practice and the TBT Committee Decision on Principles for the Development of International Standards.
- We will support, where appropriate, existing internationally accepted principles for digital technologies being embedded in the development process for technical standards." [8]
- Im Abschnitt „A G7 Roadmap for Cooperation on Data Free Flow with Trust“ [9] setzen sich die G7-Digitalminister für den beim G20-Gipfel 2019 in Osaka von Japan eingebrachten Vorschlag für ein internationales Datenhandelsabkommen ein. Unter Berücksichtigung des Datenschutzes sollen „Best Practice“-Beispiele für einen freien Datenaustausch gesammelt werden. Analysiert werden sollen die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen von staatlichen Maßnahmen zur sogenannten „Data Localisation“.
- Im Abschnitt „G7 Internet Safety Principles“ [10] wird hervorgehoben, dass eine größere Sicherheit im Internet-Ecosystem nur auf der Basis einer umfassenden Zusammenarbeit zwischen allen Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, technischer Community und Zivilgesellschaft möglich ist. Diese Zusammenarbeit muss auf dem Respekt vor den Menschenrechten und grundlegenden individuellen Freiheiten basieren. Die G7-Digitalminister hoben acht Grundsätze hervor, auf denen eine verstärkte Zusammenarbeit sich gründen soll:
- Fostering Human Rights Online
- Multi-Stakeholder Approach
- Corporate Responsibility
- Transparency and Accountability
- Research and Best Practice in Safety Technology
- Protecting Children
- Online Media Literacy
- Youth Participation [11]
- Im Abschnitt „Deepening Cooperation on Digital Competition“ [12] wird festgestellt, dass es primär der freie Wettbewerb ist, der Innovation im Internet-Governance-Ecosystem ermöglicht. Die freie Entwicklung der digitalen Märkte habe aber dazu geführt, dass Marktführer in einzelnen Segmenten entstanden sind, deren Marktmacht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann. „There is increasing international concern that participants with significant market power can abuse that power to hold back digital markets and the wider economy“. Ausgebaut werden soll daher die Abstimmung zwischen staatlichen Aufsichtsbehörden, Kartellämtern und Regulierungsinstitutionen.
- Im Abschnitt „A Framework for G7 Collaboration on Electronic Transferable Records“ [13] wird kritisiert, dass der größte Teil von wirtschaftlichen Transaktionen noch immer „auf Papier“ stattfindet. Das treibe Kosten hoch und sei eine Quelle für Verzögerung, Ineffektivität, Fehlern und Missbrauch. Die G7-Digitalminister wollen entsprechende globale Regelungen für einen elektronischen Transfer im Rahmen von UNCITRAL fördern.
Treffen G7-Außenminister, 5. Mai 2021
Beim Treffen der G7-Außenminister am 5. Mai 2021 in London standen Cybersicherheitsfragen und der Missbrauch des Internet für globale Desinformationskampagnen auf der Tagesordnung.
- Russland wird aufgerufen, Cyberattacken zu unterlassen. [14] Eine ähnliche Aufforderung wird an China gerichtet. [15] Die Minister sprechen sich für eine Stärkung der Medienfreiheit ein und verurteilen „Internet-Shutdowns“ [16]
- In einem gesonderten Abschnitt äußern sich die Minister zu „Cyber Governance“. Begrüßt werden die Fortschritte bei den Cybersicherheitsverhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen, insbesondere die Ergebnisse der OEWG und der UN-GGE, die die Gültigkeit des Völkerrechts im Cyberspace bekräftigt hatten. Es käme nun darauf an, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, WIE das Völkerrecht im Cyberspace angewendet werden soll. Alle Regelungen müssten auf dem Respekt vor den Menschenrechten und der individuellen Freiheiten basieren. Gestärkt werden soll die „Freedom Online Coalition“. [17]
Treffen G7-Handelsminister, 28. Mai 2021
Beim Treffen der G7-Handelsminister stand das Thema „Digitale Handel“ auf der Tagesordnung. Die G7-Handelsminister fordern, dass „digitale Märkte“ offen sein müssten, um Unternehmergeist und Innovation zu fördern. Abgelehnt wird ein „digitaler Protektionismus“. Gesetze zur „Data Localisation“ könnten negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben, insbesondere für klein- und mittelständische Unternehmen sowie für Startups. Regelungen müssten auf den Standards von Datenschutz, Schutz des geistigen Eigentums und Sicherheit basieren. Digitalisierung könne den Welthandel beschleunigen und sicherer machen. Die G7-Handelsminister setzen sich für eine Fortdauer des Verzichts auf Zölle für elektronische Transaktionen ein und unterstützen die entsprechenden Verhandlungen im Rahmen der OECD und der Welthandelsorganisation (WTO). Dabei sollten die Interessen der Entwicklungsländer angemessen berücksichtigt werden. [18]