Q2/2021 - Vereinte Nationen
Plenarsitzungen der 75. UN-Vollversammlung zur „Roadmap for Digital Cooperation“ des UN-Generalsekretärs António Guterres, 27. April & 24. Mai 2021
Erstmalig hat die UN-Vollversammlung die „Roadmap for Digital Cooperation“, vorgelegt von UN-Generalsekretär António Guterres im Juni 2020, diskutiert. Am 27. April und am 24. Mai 2021 hatte der Präsident der 75. UN-Vollversammlung, Volkan Bozkir, eine hochrangige Debatte zum Thema „Digital Cooperation and Connectivity“ auf die Tagesordnung gesetzt.[1]
- An der virtuellen Debatte beteiligten sich 72 Staaten. Bei insgesamt sechs hochrangigen „Multistakeholder-Roundtables“ traten führende Internet Governance Experten aus allen Stakeholder Gruppen auf, darunter Patrick Gelsinger, CEO von Intel, Hans Vestberg, CEO von Verizon Communications, John Frank, Vize-Präsident von Microsoft aus der Wirtschaft, Anriette Esterhuysen, Chair des IGF-MAG, Eleanor Sarpong, stellvertretende Direktorin der „Alliance for Affordable Internet“ (AA4I) und Solinn Lim von Oxfam aus der Zivilgesellschaft sowie Doreen Bogdan-Martin, stellvertretende ITU Generalsekretärin und Isabelle Durant, Generalsekretärin der UNCTAD, für die zwischenstaatliche Regierungsorganisationen.
- Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie eine Überwindung der digitalen Spaltung helfen kann, die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. Diejenigen, die keinen Zugang zum Internet haben, seien auch diejenigen, die am härtesten von der Pandemie getroffen worden seien. Fast zwei Milliarden Kinder seien durch ausfallenden Schulunterricht betroffen. Es gäbe einen neuen „Homework Gap“. Um die 3,5 Milliarden Menschen, die noch offline sind, ans Netz zu bringen, seien Investitionen von 428 Milliarden US$ bis zum Jahr 2030 nötig. Gefordert wurde ein sogenannter „Whole of Society Approach“. Regierungen und alle Stakeholder müssten alle Aspekte, die mit der Digitalisierung und der Entwicklung im Cyberspace zusammenhängen, bei ihren Entscheidungen in Betracht ziehen. Dabei gehe es u.a. auch darum, den digitalen Wandel im Lichte der Herausforderungen des Klimawandels zu gestalten (The Digital Green) und auf die wachsenden Risiken der Digitalisierung – Cyberkriminalität, Desinformation, Extremismus, Online-Missbrauch, insbesondere gegenüber Kindern – einzugehen. Notwendig sei weiterhin, die absehbaren Implikationen der Entwicklung künstlicher Intelligenz, der Robotik, Cloud Computing und Internet der Dinge in den „Whole of Society Approach“ einzubeziehen.
- Nach den beiden Sitzungen wurde keine UN-Resolution verabschiedet. Der vom Präsidenten der 75. UN-Vollversammlung vorgelegte Bericht über die Sitzung enthält aber zehn sogenannte „Key Messages“[2]. In seinem Bericht betont Volkan Bozkir die Notwendigkeit einer engen Verbindung zwischen den nachhaltigen Entwicklungsziele der UN (SDGs) mit der Digitalisierung. Die „Roadmap for Digital Cooperation“ des UN-Generalsekretärs sei eine exzellente Grundlage für die „UN-Decade of Action“, innerhalb derer bis 2030 die SDGs, erreicht werden sollen.
Sitzungen des UN-Sicherheitsrates zu Cybersicherheitsfragen, 17. Mai & 29. Juni 2021
Am 17. Mai 2021 (unter dem Vorsitz von China) und am 29. Juni 2021 (unter dem Vorsitz von Estland) stand das Thema Cybersicherheit auf der Agenda des UN-Sicherheitsrates. Die Sitzung fand im sogenannte „Aria-Format“ statt, d.h. es war keine Sitzung, die auf eine direkte Bedrohung des Friedens oder der internationalen Sicherheit reagierte, sondern eine allgemeine Diskussion eines für die internationale Sicherheit relevanten Themas. [3]
- Das bereits zum dritten Mal seit 2020 eine solche Diskussion des UN-Sicherheitsrates zum Thema Cybersicherheit anberaumt wurde verdeutlicht, welch hohen Stellenwert Cybersicherheit auf der internationalen Agenda mittlerweile hat. Bei den beiden Diskussionen im Mai und Juni 2021 ging es vor allem darum, wie neue Technologien, gestützt durch künstliche Intelligenz, zu Bedrohungen für Frieden und Sicherheit in der Welt genutzt werden können. Es gab keine vorgegebene Tagesordnung. Um zielgerichteter diskutieren zu können, hatte Estland aber zehn Fragen vorab gestellt. Diese beinhaltete u.a. was die aktuellen Bedrohungen im Cyberspace sind, welche Konfliktlösungsmöglichkeiten existieren, wie die Zivilbevölkerung in einem möglichen Cyberkonflikt geschützt werden könnte und inwiefern die Weiterentwicklung des Multistakeholder-Modells für Internet Governance zur Stärkung von Sicherheit und Stabilität im Cyberspace beitragen könnte. [4]
- Beschlüsse oder Resolutionen wurden nicht verabschiedet. Aus der Diskussion kann man drei Schlussfolgerungen ziehen:
- Neue Waffensysteme, die auf künstlicher Intelligenz basieren, können sich zu einer erheblichen Gefahr für Frieden und die internationale Sicherheit entwickeln;
- Die im März und Mai 2021 angenommenen Konsens-Berichte der beiden UN-Cybersicherheitsgruppen OEWG und UN-GGE haben die Gültigkeit des allgemeinen Völkerrechts für den Cyberspace bekräftigt und damit eine Grundlage geschaffen, auf deren Basis man sich mit den neuen digitalen Herausforderungen für Frieden und internationale Sicherheit beschäftigen kann;
- Es besteht ein tiefer Dissens über die zukünftige Einbeziehung nicht-staatlicher Stakeholder in Cybersicherheitsverhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nationen. Einige Staaten wie China, Russland, die Vereinten Arabischen Emirate, Iran, Saudi-Arabien und andere sehen die Diskussion zu Cybersicherheit als eine ausschließliche Angelegenheit von Regierungen. Westliche Demokratien betonen die Relevanz des Multistakeholder-Internet-Governance-Modells auch bei der Behandlung von Cybersicherheitsfragen. Akteure aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft müssten bei der Suche nach Lösungen zur Stärkung von Stabilität und Sicherheit im Cyberspace einbezogen werden.
Abschlussbericht der 6. UN-Group of Governmental Experts (UN-GGE), 28. Mai 2021
Am 28. Mai 2021 konnte die 6. Group of Governmental Experts (UN-GGE) einen Abschlussbericht im Konsens verabschieden. Die 6. GGE operiert unter dem für internationale Sicherheitsfragen und Abrüstung zuständigen 1. Ausschuss der UN-Vollversammlung und war 2019 gebildet worden. Sie hatte unter Vorsitz des brasilianischen Botschafters Guilherme de Aguiar Patriota insgesamt vier Sitzungen in Genf und New York abgehalten.
- Das Thema Cybersicherheit war 1998 auf die Tagesordnung des 1. Ausschusses der UN-Vollversammlung gesetzt worden. Damals hatte Russland vorgeschlagen, einen völkerrechtlichen Vertrag zur Cybersicherheit auszuarbeiten. Der Vorschlag fand keine große Unterstützung, das Thema blieb aber auf der Agenda des 1. Ausschusses. Auch der später von Russland modifizierte Vorschlag zur Ausarbeitung eines Verhaltenskodex für Staaten im Cyberspace (Code of Conduct), der u.a. auch von China unterstützt wurde, stieß mehrheitlich auf Ablehnung. Stattdessen wurden Arbeitsgruppen – sogenannte Groups of Governmental Experts (UN-GGE) - eingesetzt, die ausloten sollten, in welchen Bereichen es unterhalb der Schwelle eines völkerrechtlich verbindlichen Vertrages es Bereiche gibt, in denen eine Zusammenarbeit von Staaten zur Stärkung der internationalen Cybersicherheit möglich ist. An der Arbeit der UN-GGEs konnten sich zunächst nur 15, später 25 Regierungen beteiligen. Die UN-GGE Mitglieder wurden von der UN-Vollversammlung gewählt.
- Die ersten beiden UN-GGEs – 2004 und 2008 – konnten keine Ergebnisse erzielen. 2013 und 2015 wurden eine dritte und eine vierte UN-GGE gebildet. Beide Gruppen produzierten Berichte, die die Zustimmung aller Staaten fanden. Kernstück der damaligen Vereinbarungen war die formelle Anerkennung der Gültigkeit der Charta der Vereinten Nationen als Rechtsgrundlage für den Cyberspace. Das existierende Völkerrecht gelte online wie offline und sei damit Grundlage für jedwedes weiterführende Arrangement zwischen Staaten zur Stärkung der internationalen Cybersicherheit.
- Eine fünfte UN-GGE scheiterte 2017 daran, dass man keine Einigung erzielen konnte, WIE das Völkerrecht im Cyberspace angewandt werden soll. Das betraf insbesondere die Frage, ob ein Cyberangriff eine Anwendung von Gewalt im Sinne von Artikel 2.4 der UN-Charta sei und - wenn ja - ob dieser Angriff dann automatisch die Anwendung von Artikel 51, d.h. das Recht auf Selbstverteidigung, aktiviert. Man konnte sich weder darauf einigen, was ein „Cyberangriff“ ist noch was ein „Hack Back“ sein könnte. Unklar war vor allem, wie man den Verursacher von verdeckten Cyberangriffen ermitteln sollte (Attribution). Die Idee, nach dem Modell der Internationalen Atomenergiekommission (IAEA) in Wien, die die Verwendung von spaltbaren Nuklear-Material weltweit überwacht, eine neue UN-Cybersicherheits-Organisation zu gründen, die als neutrale Stelle die Quelle von Cyberangriffen herausfindet, wurde sowohl von der EU und den USA als auch von China und Russland abgelehnt.
- Da das Thema Ende der 2010er Jahre an politischer Dringlichkeit gewann, beschlossen die Regierungen 2019 einen erneuten Versuch zu wagen und etablierten eine 6. UN-GGE. Dass sich die 6. UN-GGE auf einen Bericht würde einigen könnte, dem alle zustimmen, war nicht von vornherein zu erwarten. Die bei der 5. UN-GGE sichtbar gewordenen Konflikte sind nach wie vor ungelöst. Dennoch gelang es dem Vorsitzenden der 6. UN-GGE, dem brasilianischen Botschafter Guilherme de Aguiar Patriota, diese Konflikte zu umschiffen und Bereiche zu finden, in denen auch die konträre Positionen vertretenden Cybergroßmächte an einer Zusammenarbeit interessiert waren. Das betrifft vor allem die mehr „weichen Bereiche“ wie die Beschreibung von neuen Gefahren für Frieden und internationale Sicherheit im digitalen Raum, Vertrauensbildung im Cyberspace und Stärkung von Kapazitäten zur Beurteilung von Cybersicherheitsbedrohungen durch Regierungen.
- Der Bericht der 6. UN-GGE geht bei den kontroversen Themen wie „Anwendung des Völkerrechts“ im Cyberspace und „Zuordnung von Cyberangriffen“ nicht über die Vereinbarungen von 2015 hinaus. Die Bekräftigung des Konsensus von 2015 wird vor dem Hintergrund der seither gewachsenen internationalen Spannungen im Cyberspace trotzdem als ein Erfolg gewertet. Der Konsens zum UN-GGE Bericht signalisiert die Bereitschaft der Cybergroßmächte, im Gespräch zu bleiben und den Willen, eine gefährliche Eskalation im Zusammenhang mit einem Cyberkonflikts zu vermeiden. Sie steht auch für die Position, den Cyberspace nicht zu einem rechtsfreien Raum verkommen zu lassen, sondern allgemeine Leitlinien für staatliches Verhalten im Cyberspace zu kodifizieren. Nach wie vor aber gibt es keine Bereitschaft, diese Leitlinien in rechtsverbindlicher Form in einer UN-Konvention zu verankern.
- Auch im Konflikt, wie nicht-staatliche Akteure in die Stärkung von Sicherheit und Stabilität im Cyberspace einbezogen werden sollten, gab es keine Fortschritte. Immerhin empfiehlt die 6. UN-GGE zukünftige Konsultationen nicht nur mit zwischenstaatlichen regionalen Organisationen (OSZE oder ASEAN) zu führen, sondern auch Möglichkeiten zu erörtern, inwieweit das “Engagement anderer essentieller Stakeholder aus der Wirtschaft der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und der technischen Community“ in angemessener (appropriate) Weise bei der Stärkung internationaler Cybersicherheit genutzt werden kann. Was jedoch „appropriate“ konkret meint, bleibt strittig.
- Insgesamt enthält der 6. UN-GGE Bericht 98 Paragraphen. Im Abschlussteil VII sind fünf konkrete Empfehlungen enthalten, darunter auch die einer möglichen erweiterten Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Stakeholdern. Der Bericht verweist auf die zukünftige führende Rolle der neuen Open Ended Working Group (OEWG), die ein Mandat bis 2025 hat. [5] Damit wird im Grunde die 2019 geschaffene Doppelstruktur bei der Behandlung von Cybersicherheitsfragen im Rahmen der UNO wieder abgeschafft. Es ist daher kaum davon auszugehen, dass es bis 2025 eine 7. UN-GGE geben wird.
Konstituierende Sitzung der Open Ended Working Group (OEWG), 1. Juni 2021
Die „Open Ended Working Group“ (OEWG) zu Cybersicherheit war wie die 6. UN-GGE von der 73. UN-Vollversammlung 2019 geschaffen wurden. Die Resolution für eine 6. UN-GGE war von den USA initiiert worden, die für eine OEWG von Russland. Beide Resolutionen bekamen eine Mehrheit in der UN-Vollversammlung. Die UN-GGE hatte nur 25 Mitglieder. Die OEWG war offen für alle 193 UN-Staaten. Das Mandat war sehr ähnlich. Diese Doppelstruktur wurde zunächst mit viel Misstrauen begleitet und man erwartete Konflikte zwischen beiden Gruppen. Solche Konflikte blieben jedoch aus, nicht zuletzt auch deshalb, weil das gleiche diplomatische Personal an den OEWG bzw. UN-GGE Sitzungen in New York oder Genf teilnahm und es unglaubwürdig gewesen wäre, wenn ein und derselbe Botschafter in zwei Gremien unterschiedliche Positionen vertreten hätte.
- Dank der engen Kooperation zwischen den beiden Vorsitzenden, dem Schweizer Botschafter Lauber (OEWG) und dem brasilianischen Botschafter Patriota (UN-GGE), gelang es, die beiden Berichte so zu gestalten, dass sie sich nicht nur ergänzen, sondern bei Kernaussagen übereinstimmen. Das schuf eine Grundlage zur Überwindung der unsinnigen Doppelstruktur und öffnete die Möglichkeit, das Thema Cybersicherheit perspektivisch wieder in einen einheitlichen Prozess zu bringen. Die 75. UN-Vollversammlung hatte bereits im Dezember 2020 – noch vor Abschluss der Arbeit der 1. OEWG – beschlossen, das Mandat der OEWG bis 2025 zu verlängern. Damit wurde eine neue Plattform für einen nun regulären institutionellen Dialog zum Thema Cybersicherheit innerhalb der Vereinten Nationen geschaffen.
- Die konstituierende Sitzung der OEWG fand am 1. Juni 2021 in New York als ein hybrides Meeting statt. Sie wurde eröffnet von der stellvertretenden UN-Generalsekretärin für Abrüstung, Izumi Nakamitsu. Auf der Tagesordnung standen Formalitäten wie die Wahl des Vorsitzenden, Prozedurregeln, das Arbeitsprogramm und die Bildung von Untergruppen. Zum Vorsitzenden der neuen OEWG wurde einstimmig der UN-Botschafter von Singapur, Burhan Gafoor gewählt. Gafoor bekräftigte in seiner Antrittsrede, dass die OEWG auf den Ergebnissen der Konsensberichte der 6. UN-GGE und der 1. OEWG aufbauen werde. Die neue OEWG wird auf der Basis des Konsensus arbeiten.
- Bei der Diskussion um die Bildung von Arbeitsgruppen gab es unterschiedliche Auffassungen. Einige Staaten unterstützten die Bildung von sechs Gruppen zu den Unterthemen Bedrohungen, Normen, Anwendung des Völkerrechts, Vertrauensbildende Maßnahmen, Kapazitätsbildung und Institutioneller Dialog. Andere Staaten waren dagegen. Sollten die Gruppen parallel tagen, würde das die Möglichkeiten einer Beteiligung vieler kleinerer Länder erschweren. Besser wäre es, zu den sechs Themen regelmäßig Expertenseminare durchzuführen, bei denen auch nichtstaatliche Experten eingeladen werden könnten.
- Auch bei der Einbeziehung nicht-staatlicher Stakeholder entzweite sich die Debatte. Botschafter Gafoor verwies darauf, dass die neue OEWG hier die Chance habe, Pionierarbeit in der UN zu leisten und eine innovative Anwendung des für Internet Governance relevanten Multistakeholder-Modells praktizieren können. Russland war für eine Begrenzung von nicht-staatlichen Stakeholder auf jene Organisationen, die eine Akkreditierung beim ECOSOC haben. China schlug vor, die Teilnahme von Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf thematische Expertenworkshops zu begrenzen.
- Diskutiert wurde auch das von der EU und anderen westlichen Ländern vorgeschlagene Programme of Action (PoA). Das PoA könnte, nach Vorstellung der EU, einen konzeptionellen Rahmen für die weitere Arbeit der OEWG geben. Diskutiert wurde, ob das PoA ein eigenständiges Programm oder eng verknüpft mit der OEWG werden sollte. Diskutiert wurde weiterhin, das PoA zum Ausgangspunkt für die Ausarbeitung einer UN-Deklaration zu Cybersicherheit zu nehmen.
- Diskutiert wurde außerdem ein informeller Arbeitsplan bis 2025. Die OEWG soll in der Regel zwei- bis dreimal jährlich in New York oder Genf tagen. Bis 2025 sind zunächst elf Sitzungen für jeweils eine Woche geplant. Virtuelle Meetings sollen die Ausnahme bleiben. Für eine sogenannte „Intersessional Arbeit“ sind auch thematische Expertenseminare und informelle Konsultationen mit nicht-staatlichen Stakeholdern vorgesehen. Das erste formelle Treffen der neuen OEWG ist für den 13. bis 17. Dezember 2021 geplant. [6]
Konstituierende Sitzung des Expertenkomitees für eine UN-Konvention gegen Cyberkriminalität (Cybercrime Ad Hoc Committee/CAHC)
Das erste „organisatorische“ Treffen des neuen UN-Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer UN-Konvention gegen Cyberkriminalität (Ad Hoc Committee to Elaborate a Comprehensive International Convention on Countering the Use of Information and Communications Technologies for Criminal Purposes) fand vom 10. bis 12. Mai 2021 als ein hybrides Meeting in New York statt. Die Expertengruppe hat 15 Mitglieder, darunter USA, China und Russland. Deutschland ist in der Gruppe nicht vertreten. Als Vorsitzende wurde Botschafterin Faouzia Boumaiza Mebarki aus Algerien gewählt. Rapporteur ist Arsi Dwinugra Firdausy aus Indonesien. [7]
- Das neue Verhandlungsgremium war auf Initiative Russlands von der 74. UN-Vollversammlung geschaffen wurden. Russland hat seit Jahren im für Menschenrechtsfragen zuständigen 3. Ausschuss der UN-Vollversammlung für dieses Projekt geworben. Lange Zeit hatten die westlichen Staaten das russische Projekt abgelehnt und auf die Budapest-Konvention gegen Cyberkriminalität des Europarates verwiesen. Zwanzig Jahre nach Abschluss der Budapest-Konvention zeigt sich jedoch, dass erstens neue Herausforderungen im Kampf gegen eine sich immer weiter entwickelnde Cyberkriminalität entstanden sind, die durch die Budapest-Konvention nicht ausreichend abgedeckt sind und zweitens der Stand der Ratifizierungen der Budapest-Konvention hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückbleibt. Weniger als ein Drittel der UN-Mitglieder haben die Budapest Konvention ratifiziert.
- Geplant ist jetzt, eine UN-Konvention gegen Cyberkriminalität bis zum Jahr 2023 auszuhandeln. Dafür sollen insgesamt sechs je zweiwöchige Sitzungen – abwechselnd in New York und Wien – ausreichend sein. Als Sekretariat für die neue Verhandlungsgruppe dient das „United Nations Office on Drugs and Crime“ (UNODC). Geplant sind Intersessional Meetings und Expertenworkshops. Nichtstaatliche Organisationen sollen an der Ausarbeitung der Konvention beteiligt werden, und zwar nicht nur diejenigen, die beim ECOSOC akkreditiert sind. Die Vorsitzende der Gruppe wird aufgefordert, eine Liste von nichtstaatlichen Organisationen zusammenzustellen, die eine spezielle Expertise im Kampf gegen Cyberkriminalität haben. Diese Liste soll dann durch die Verhandlungsgruppe im Konsensverfahren angenommen werden. Sollte ein Staat Einwände gegenüber einer Organisation erheben, muss er das öffentlich begründen. [8] Dieses Verfahren zur Einbeziehung von nicht-staatlichen Akteuren in zwischenstaatliche Verhandlungen könnte Modellcharakter gewinnen. Bei der konstituierenden Sitzung der neuen OEWG hatte bereits der Schweizer Botschafter auf dieses Verfahren als eine Art Blaupause für die Teilnahme von Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft bezeichnet.
Launch der Website des UN-Technology Envoy, 1. Mai 2021
Das neu geschaffene Büro des „UN Envoy for Technology“ hat seine Arbeit aufgenommen und eine Website freigeschaltet. [9] Die Hautaufgabe des Büros ist, sich um die praktische Umsetzung der „Roadmap for Digital Cooperation“, die UN-Generalsekretär im Juni 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt hat, zu kümmern. Das Büro soll als „Focal Point“ für alle Aspekte der digitalen Kooperation sowohl zwischen Regierungen als auch zwischen allen nicht-staatlichen Stakeholdern fungieren. Es soll auch die Kooperation zu digitalen und Cyberthemen zwischen den UN-Organisationen fördern. [10]
- Maria-Francesca Spatolisano fungiert als „Officer in Charge“ des Büros. UN-Generalsekretär António Guterres hatte im Januar 2021 den chilenischen Diplomaten Fabrizio Hochschild als „UN Envoy for Technology“ berufen. Nachdem unmittelbar nach seiner Berufung Vorwürfe wegen ungebührlichen Verhaltens von UN-Mitarbeitern gegen Hochschild erhoben wurden, ließ Hochschild sein Amt ruhen, um eine Entscheidung der zuständigen UN-Kommission abzuwarten. Guterres selbst hatte um eine schnelle Klärung des Falles gebeten. Ende Juni 2021 ist der Fall jedoch immer noch anhängig. Frau Spatolisano ist auch stellvertretende Direktorin von UNDESA. UNDESA ist bislang für den WSIS-Prozess und die Reform des Internet Governance Forums (IGF+) zuständig.
- Erste Aktivitäten des Büros waren die Organisation der High Level Roundtables für die Sitzung „Digital Cooperation and Connectivity“ im Rahmen der 75. UN-Vollversammlung im April und Mai 2021, die Veranstaltung eines Side-Events beim UN-Forum für Wissenschaft und Technologie (STI-Forum) im Mai 2021 und eine Serie vom Workshops im Rahmen der 10. RightsCon im Juni 2021. Insgesamt ist das Büro für die folgenden neun Bereiche zuständig:
i. Universal Connectivity,
ii. Digital Inclusion,
iii. Digital Public Goods,
iv. Digital Human Rights,
v. Digital Capacity Building,
vi. Digital Trust and Security,
vii. Artificial Intelligence,
viii. Global Digital Cooperation,
ix. Digital Environmental Sustainability.