Q3/2018 - BRICS-Gipfeltreffen

Johannesburg, 26. Juli 2018

Beim 10. BRICS-Gipfeltreffen in Johannesburg am 26. Juli 2018 wurden sowohl sicherheitspolitische als auch wirtschaftliche Aspekte im Zusammenhang mit Internet Governance besprochen.

Im sicherheitspolitischen Bereich bekräftigten die Staatschefs der fünf BRICS Länder, dass sie die UNO als das entscheidende Gremium für die Behandlung aller Internet-Fragen, insbesondere aber zum Thema Cybersicherheit, ansehen, wo nach wie vor ein völkerrechtlicher Vertrag gefordert wird. Im Johannesburg-Kommuniqué wird unterstrichen „the need to develop a universal regulatory binding instrument on combatting the criminal use of ICTs within the UN.“

  • Um den Druck auf die UN zur Ausarbeitung einer Cybersicherheitskonvention zu erhöhen, erklärten die Gipfelteilnehmer, dass sie parallel dazu die interne Zusammenarbeit zwischen den fünf Ländern in diesem Bereich verstärken wollen. Dazu wurde eine „BRICS Roadmap of Practical Cooperation on Ensuring Security in the Use of ICTs“ verabschiedet, die allerdings nur wenig konkrete Schritte enthält. Eine Entscheidung über den von Russland bereits auf den 7. BRCIS-Gipfeltreffen in Ufa (2015) unterbreiteten Vorschlag, einen eigenständigen fünf-lateralen BRICS-Cybersicherheitsvertrag abzuschließen, wurde erneut vertagt. Im Johannesburg-Kommuniqué heißt es lediglich: „In this regard, BRICS member States will work towards consideration and elaboration of a BRICS intergovernmental agreement on cooperation on this matter."
     
  • Auch beim Thema Internet Governance im engeren Sinn fand der Vorschlag Russlands, ein eigenes, von ICANN unabhängiges Root Server System aufzubauen, keine Unterstützung. Im Kommuniqué heißt es stattdessen, dass man die Zusammenarbeit im Rahmen der „existierenden Mechanismen“ (das heißt ICANN) für ein sicheres, offenes und friedliches Internet erweitern wolle. Gefordert wird jedoch, dass alle Staaten gleichberechtigt („on an equal footing“) an der Verwaltung des Internets beteiligt werden sollten, wobei aber auch auf die notwendige Einbeziehung der relevanten nicht-staatlichen Stakeholder „in ihren jeweiligen Rollen“ verwiesen wird. Weder Russland noch China sind momentan im ICANN-Board mit einem stimmberechtigten Direktor vertreten. Auch Indien, Brasilien und Südafrika haben gegenwärtig keine „voting directors“ im ICANN-Board.

Im Bereich der Digitalwirtschaft gibt es gleichfalls Ankündigungen für eine zu intensivierende interne BRICS-Kooperation, die jedoch bislang wenig konkrete Ergebnisse gezeigt hat. Die Bedeutung des Themas für die BRICS-Staaten kommt bereits in der Überschrift des Johannesburg-Kommuniqué zur Geltung, wo auf die „vierte industrielle Rvoltuion“ verwiesen wird. In mehreren Paragraphen des Johannesburg-Kommuniqués wird  beschworen, dass sich für die fünf BRICS-Länder durch die digitale Revolution enorme Möglichkeiten für wirtschaftliches Wachstum ergeben. Die entsprechenden Vereinbarungen bleiben jedoch sehr allgemein.

  • Auf der Basis der Empfehlung der BRICS-Wirtschaftsminister wurde in Johannesburg eine „BRICS Partnership on New Industrial Revolution (PartNIR)“ gegründet sowie ein „BRICS Networks of Science Parks, Technology Business Incubators and Small and Medium-sized Enterprises“. Weiterhin wurde ein „Memorandum of Understanding on Collaborative Research on Distributed Ledger and Blockchain Technology in the Context of the Development of the Digital Economy“ unterzeichnet. Alle diese Pläne sind jedoch vage, bürokratisch und bislang kaum mit konkreten Projekten untersetzt. Zunächst soll eine „Advisory Group“ von den fünf Wirtschaftsminsterien für die PartNIR-Initiative berufen werden. Diese Gruppe soll die „Terms of References“ und einen Arbeitsplan entwerfen und auf dem nächsten BRICS-Gipfel im Sommer 2019 in Brasilien berichten.
     
  • In der Praxis gehen alle fünf Länder bei der Entwicklung ihrer Digitalwirtschaft unterschiedliche Wege. China hat sein „Internet-Plus“-Programm, Indien verfolgt das „Digital-India“-Projekt. Russland hat verschiedene lokale Initiativen wie die Errichtung von digitalen Sonderzonen in Skolkowo (bei Moskau) und Wladiwostok. Südafrika und Brasilien haben in den letzten Jahren, auch aufgrund innenpolitischer Probleme und Machtkämpfe, keine umfassende nationale Digitalstrategie entwickelt. Unabhängig von den politischen Rahmenbedinungen entwickelt sich vor allem in China und Indien – nicht zuletzt wegen der Größe des heimischen nationalen Marktes mit potenziell mehr als einer Miliarde Internet-Nutzer – die lokale und nationale Internet-Wirtschaft mit hohen Zuwachsraten. Dabei richten sich die großen chinesischen Internet-Firmen (wie „BATs“/ Baidu, AliBaba, Tencent) im Schatten des vom chinesischen Präsidenten mit Verve vorangetriebenen Programms „One Belt, One Road“ und dem darin eingebetteten Projekt „Digitale Seidenstraße“ immer stärker auf internationale Märke in Asien, Afrika, Lateinamerika und Südosteuropa aus. Interessant ist, dass im September 2018 in Wladiwostok bei einem Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Putin und Jack Ma, scheidender CEO von AliBaba, bekannt wurde, dass AliBaba große Anteile eines der erfolgreichsten russischen Internet-Unternehmen – mail.ru – übernommen hat. In Europa baut AliBaba Belgrad zu seinem Hauptquartier aus und errichtet dort ein Logistikzentrum. Die Vereinbarung wurde bei der 4. Wuzhen-Konferenz im Dezember 2017 mit der serbischen Wirtschaftsministerin Tatjana Matic unterzeichnet. 

Im Jahr 2019 geht die BRICS-Präsidentschaft wieder auf Brasilien über. Wegen der anstehenden Präsidentschaftswahlen in Brasilien sind Ort und Zeitpunkt des 11. BRICS-Gipfeltreffens noch nicht festgelegt worden.

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