Q3/2020 - UNESCO
2. Konsultationsrunde der UNESCO Ad-Hoc-Expertengruppe (AHEG) zur ethischen Dimension Künstlicher Intelligenz, 31. August 2020
Am 31. August 2020 diskutierte eine 24köpfige UNESCO-Ad-Hoc-Expertengruppe (AHEG) „Ethik und Künstliche Intelligenz“ die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation und der elf virtuellen Seminare zu den im Mai 2020 veröffentlichten „Eckpunkte“ eines möglichen zukünftigen Rechtsinstruments[1]. Der Aufruf zu „Public Comments“ fand ein großes Echo. Es wurden rund 600 Stellungnahmen mit fast 50.000 Vorschlägen von allen Stakeholdergruppen abgegeben. In der Erklärung vom 31. August 2020 heißt es, das 60 Prozent der KI-Anwendungen aus den USA und China, als den beiden führenden Nationen im Bereich Künstlicher Intelligenz kommen, dass es aber gerade daher besonders wichtig ist, ein universelles Instrument auszuarbeiten, dass die Interessen und Zukunftschancen des „globalen Südens“ mit ins Blickfeld nimmt. Die UNESCO-Empfehlung müsse deutlich machen, dass die Normen von Rechtsstaatlichkeit für das Internet gelten und Künstliche Intelligenz auf den Grundsätzen des Völkerrechts, den Menschenrechten und Prinzipien wie Inklusion, Vielfalt und Transparenz entwickelt und angewendet wird.
Erster Entwurf einer UNESCO-Empfehlung „On the Ethics of Artificial Intelligence“, 7. September 2020
Am 7. September 2020 veröffentlichte die AHEG einen ersten Entwurf für eine „UNESCO-Empfehlung zur Ethik Künstlicher Intelligenz“[2]. Der umfangreiche Entwurf enthält 22 Präambel-Paragrafen und 41 operative Artikel. Er gliedert sich in acht Kapitel. Die Kapitel 1 und 2 definierten Reichweite und Ziel der Empfehlung. Die Kernbestandteile der Empfehlung sind in den Kapitel 3 und 4 enthalten, die Werte, Prinzipien und Politikfelder beschreiben. Kapitel 5 definiert Monitoring und Überprüfung. Die Kapitel 6 bis 8 enthalten Querverbindungen und Schlussbestimmungen.
Der Entwurf der UNESCO-Empfehlung geht von einem „ganzheitlichen“ Ansatz zur Ethik der künstlichen Intelligenz aus. Sie definiert nicht, was künstliche Intelligenz ist. Sie betrachtet Ethik als eine dynamische Grundlage für eine normative Evaluierung von KI-Technologien, die sich an der Menschenwürde und dem Wohlergehen von Gesellschaften orientiert und darauf ausgerichtet sein muss, Gefahren für die Menschheit abzuwenden[3]. Das gelte z.B. für die Reproduktion von Vorurteilen und Diskriminierungen in Algorithmen. Gegenstand der Empfehlung sind alle Aktivitäten, die bislang vorrangig oder ausschließlich von Menschen ausgeführt wurden und die jetzt mit Hilfe von maschinellem Lernen, Robotern oder anderen autonomen Systemen ausgeführt werden können. Dabei wird gefordert die Konsequenzen in Betracht zu ziehen, die KI-Anwendungen für die heranwachsenden Generationen und die Entwicklung ihres Verständnisses für die Welt sowie für das generelle menschliche Selbstverständnis, für menschliche Selbstbestimmung, Autonomie und Würde haben[4]. Nach der Empfehlung haben Staaten zwar eine primäre Verantwortung, Lösungen können aber nur durch eine enge Multistakeholder-Zusammenarbeit unter Einbeziehung der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft gefunden werden. Gefordert werden „universelle Rahmenbedingungen“ mit Leitlinien für alle Akteure auf der Basis eines umfassenden Respekts der Menschenrechte, der Menschenwürde und der Gleichberechtigung.
Die Kapitel 3 und 4 beschreiben die grundlegenden Werte, Prinzipien und Politikfelder. Die Empfehlung soll demnach auf vier Werten und zehn Prinzipien basieren, die auf insgesamt zehn Politikfeldern umgesetzte werden sollen.
Als grundlegende Werte benennt die Empfehlung:
- Respekt, Schutz und Förderung der Menschenwürde, der Menschenrechte und der grundlegenden Freiheiten
- Schutz der Umwelt
- Sicherung von Vielfalt und Inklusion
- Harmonie und Frieden
Als Prinzipien werden definiert:
- Proportionalität und „do not harm“
- Sicherheit
- Fairness und Nicht-Diskriminierung
- Nachhaltigkeit
- Schutz der Privatsphäre
- Menschliche Kontrolle
- Transparenz und Erklärbarkeit
- Verantwortlichkeit
- Öffentliches Bewusstsein und Wissen
- Multistakeholder-Zusammenarbeit
Die zehn Politikfelder sind:
- Ethical Impact Assessment
- Ethische KI-Governance
- Datenschutz
- Entwicklung und internationale Zusammenarbeit
- Umwelt
- Gleichberechtigung
- Kultur
- Bildung und Forschung
- Wirtschaft und Arbeit
- Gesundheit und Wohlergehen
Als ein wichtiges Instrument zur Umsetzung der Empfehlung wird in Kapitel 5 die Entwicklung einer einheitlichen Methodologie für ein „Ethical Impact Assessment of Artifical Intelligence (EIA) empfohlen. Neue KI-Technologien sollen sowohl vor (ex ante) als auch nach (ex post) ihrer Einführung evaluiert werden. Eine Datenbank mit Fallbeispielen, Best Practices und vergleichende Analysen soll geschaffen werden.
In einer Rede am 17. September 2020 kündigte UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay an, den Entwurf der Empfehlung den 193 UNESCO-Mitgliedsstaaten bis zum 31. Dezember 2020 zur Kommentierung vorzulegen[5]. Der finale Text soll von der 41. UNESCO-Generalkonferenz im November 2021 verabschiedet werden.