Q3/2021 - International Telecommunication Union (ITU)

ITU Council Working Groups, 21. – 24. September 2021

In der Woche vom 21. - 24. September 2021 tagten turnusgemäß mehrere Arbeitsgruppen des ITU Councils (CWGs). Die Meetings fanden virtuell statt. Ihre Berichte gehen an den ITU Council, der sie in seine Empfehlungen an die ITU-Vollversammlung (Plenipotentiary/PP) einarbeitet. Die alle vier Jahre stattfindende nächste ITU-PP ist für Oktober 2022 in Bukarest geplant. Für Internet Governance sind vor allem die „Council Working Group on International Internet-related Public Policy Issues“ (CWG-Internet) und die „Council Working Group on WSIS and SDG (CWG-WSIS&SDG) relevant.

Die 16. Sitzung der CWG Internet fand am 23. September 2021 statt. Auf der Tagesordnung standen Berichte über die Umsetzung von ITU-Resolutionen zu internet-relevanten Fragen, der Bericht von den „Open Consultations“ und Vorschläge für Themen zu den nächsten „Open Consultations“.

Der Bericht des ITU-Sekretariats über die Umsetzung von insgesamt fünf ITU-Resolutionen (101, 102, 133, 180 und 206), die sich mit Internet-Governance-Themen beschäftigen (darunter Domainnamen und IP-Adressen), enthält keine neuen Aspekte. Auf insgesamt 14 Seiten wird ein umfangreicher Überblick über relevante Diskussionen in den ITU Study und Focus Groups der ITU-T und in anderen ITU-Gremien (ITU-R, ITU-D, BDT, TSB) gegeben. Der Bericht macht deutlich, dass sich die ITU mehr und mehr auf neue Bereiche wie Internet der Dinge, Smart Cities, 5G, Cybersicherheit und künstliche Intelligenz konzentriert. Insbesondere die ITU-SG 20 zum Internet der Dinge ist außerordentlich produktiv, hat über 70 Empfehlungen erarbeitet und mit der „United for Smart Sustainable Cities“ (U4SSC) eine weltumspannende Initiative zum Thema „Smart Cities“ gestartet, an der sich mittlerweile 150 Städte beteiligen. Der ITU Bericht verweist dabei auf enge Kooperation mit nicht-staatlichen Standardisierungsorganisationen (SDOs) wie IETF und W3C und hebt insbesondere die Aktivitäten zur Kapazitätsbildung (Webinars, Training Programs etc.) hervor. Der Bericht vermeidet Bereiche, die das Potenzial für politische Kontroversen haben. So wird das strittige Thema „Digital Object Architecture“ (DOA) ebenso wenig erwähnt wie die Diskussion zu „New IP“. Zum Thema „Management of Domain Names and Adresses“ wird lediglich auf die Beteiligung der ITU am Internet Governance Forum (IGF) verwiesen sowie auf das Engagement der ITU zum Schutz von Abkürzungen für zwischenstaatliche Organisationen bei der Einführung neuer gTLDs verwiesen.

Entgegengenommen wurde der Bericht der „Public Consultation“ zum Thema „The role of the Internet and international Internet-related public policy in mitigating the impact of COVID-19 and possible future pandemics.“[1] Die Veranstaltung der so genannten „Public Consultation“ für die CWG-Internet war 2012 als ein Kompromiss vereinbart worden, um nicht-staatlichen Akteuren, die von den Beratungen der CWG-Internet ausgeschlossen sind, die Möglichkeit zu geben, sich zu relevanten Fragen zu äußern. Die Empfehlungen der „Public Consultations“ sind für die CWG-Internet nicht bindend, es wird aber erwartet, dass sie angemessen berücksichtigt werden. Für die sich vom Februar bis September 2021 hinziehenden Konsultationen wurden insgesamt 17 Papiere eingereicht, darunter fünf Regierungen, ISOC, Access Now und ICANN. Im Bericht an die CWG-Internet wird hervorgehoben, dass die Covid-19-Pandemie die existenzielle Bedeutung des Internet für globale Kommunikation verdeutlicht habe. Gleichzeitig seien die Defizite beim Internetzugang sichtbar gemacht worden. „It is crucial that these barriers to Internet access be romved in order to connect the unconnected.“ Gefordert wird ein „rights based multi-stakeholder approach to Internet Governance“. Gefordert werden Zugang, Erschwinglichkeit, Sicherheit, Vertrauen, Digital Skills, Kapazitätsbildung, Investitionen und Infrastruktur.

Bei der Bestimmung des Themas für die nächste Runde der „Public Consultation“ war es zu einer Kontroverse gekommen. Russland hatte einen bereits im Vorjahr eingebrachten Vorschlag, sich mit dem Management kritischer Internet-Ressourcen wie Domainnamen und IP-Adressen zu beschäftigen, diesmal untermauert mit einer Studie zu den Risiken des bestehenden Internet-Governance-Modells wie es von ICANN und den RIRs praktiziert wird. In dem russischen Papier wird die These aufgestellt, dass das gegenwärtige System verwundbar und anfällig ist für Angriffe. Es sollte daher mit Hilfe eines völkerrechtlichen Vertrages neu justiert werden[2]. Der russischen Vorschlag erhielt jedoch wenig Unterstützung. Angenommen wurde der Vorschlag Großbritanniens für die nächste „Public Consultation“ der CWG zum Thema “The Environmental Impacts and Benefits of the Internet”[3].    

Die Sitzung der CWG-WSIS&SDG fand virtuell am 22. und 23. September 2021 statt. Im Mittelpunkt stand die weitere Umsetzung der WSIS Action Lines und das von der ITU veranstaltete jährliche WSIS Forum. Gefordert wurde eine engere Kooperation mit der UNO und anderen UN-Organisationen, die in der UNGIS (United Nations Group on the Information Society) verbunden sind. Hervorgehoben wurde „ITU´s strategic leadership role in the Un multistakeholder WSIS process“. Das ITU-Sekretariat wurde beauftragt, die Diskussionen zu WSIS während der 76. UN-Vollversammlung – insbesondere auch mit Blick auf die von UN-Generalsekretär António Guterres vorgeschlagene „Roadmap for Digital Cooperation“ (2020) sowie den Bericht „Our Common Agenda“ (2021) – zu verfolgen und der nächsten CWG-WSIS&SDG zu berichten. WSIS sollte im ITU-Strategieplan für den Zeitraum 2024 bis 2027 eine besondere Berücksichtigung finden.

Diskutiert wurden die Ergebnisse des WSIS Forum 2021 sowie die Vorbereitung des WSIS Forums für 2022. Das WSIS Forum wurde als die führende Plattform zur Diskussion von Themen, die sich mit „ICT for Development“ beschäftigen, bezeichnet. Es sei ein erfolgreiches Multistakeholder-Format und helfe Regierungen, Politiken zu entwickeln und Prioritäten zu setzen. Für 2022 wurde das Prozedere der Vorbereitung und der Zeitplan diskutiert. Der geplante Termin ist 30. Mai bis 4. Juni 2022. Man hofft, das WSIS Forum 2022 wieder als „reales Meeting“ durchführen zu können. Diskutiert wurden weiterhin „WSIS Stocktaking“, der „WSIS Price“, der „World Telecommunication and Information Society Day“ und der „WSIS Fund in Trust“. Diskutiert wurde auch die Beteiligung der ITU am Internet Governance Forum. Botschafter Wojciech Berezowski aus Polen informierte über die Vorbereitungen des 16. IGF, das im Dezember 2021 in Kattowitz stattfindet.

Russland hatte am 9. September 2021 in einem gesonderten Resolutionsentwurf eine Stärkung der Rolle der ITU im WSIS-Prozess gefordert. Neben anderen Punkten drängte der russische Vorschlag darauf, frühzeitig mit den Vorbereitungen der für 2025 geplanten WSIS-Überprüfungskonferenz (WSIS+20) zu beginnen und der CWG-WSIS&SDG im Januar 2022 Bericht zu erstatten. Russland ist 2025 Gastgeber des IGF. In der Diskussion wurde darauf verwiesen, dass die UN-Vollversammlung noch keine Entscheidung getroffen hat über die Modalitäten der WSIS-Überprüfungskonferenz. Man solle daher die Ergebnisse der 76. UN-Vollversammlung abwarten und könne das Thema bei der nächsten Gruppensitzung im Januar 2022 diskutieren.

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Q3/2021ITU
  1. [1] VIRTUAL MEETING-PHYSICAL OPEN CONSULTATION OF THE COUNCIL WORKING GROUP ON INTERNATIONAL INTERNET-RELATED PUBLIC POLICY ISSUES (CWG-INTERNET) Brief Summary of the Online Open Consultation and Virtual Meeting - Physical Open Consultation (February 2021 – September 2021), Document OPCWGINT9/3-E 20 September 2021: „4.2 Participants highlighted the vital role that the Internet has played during the ongoing COVID-19 pandemic in keeping society and economy connected and functioning, including across sectors as critical as health and education. There has been a sharp increase in the use of the Internet with greater reliance than ever before on digital connectivity for vital services, economic activity, and information. However, despite this progress, the pandemic has also exposed the impact of unequal Internet access and the gaps that persist due to factors such as affordability, connectivity, trust and skills. 4.3 It is crucial that these barriers to Internet access be removed in order to connect the unconnected and allow everyone everywhere to benefit from the digital ecosystem, particularly when needed to access critical services during pandemics and other crises. This includes bridging the digital divide, particularly as it relates to marginalized populations such as women, children, older persons, persons with disabilities, indigenous communities, and communities in rural, remote, un-served and under-served areas, as well as between developed and developing countries. 4.4 Promoting a rights based multi-stakeholder approach to Internet governance, developing public policies in an open manner and fostering an enabling environment that ensure citizens can engage safely and confidently with online services, building capacity among governments and populations to use and deploy digital solutions, and investing in infrastructure and innovation are some of the steps suggested by participants. Expanding internet accessibility, affordability, security and user trust, digital skills and capacity development, investment, and infrastructure will therefore be key to ensure that ICT plays a role in shaping a sustainable recovery from the pandemic and future crisis, and for advancing sustainable development. 4.5 Some of the other steps suggested by stakeholders in this regard are as follows: a. All stakeholders should continue working together to mitigate the risks of Internet shutdowns and to combat disinformation campaigns, b. Fostering community networks to reduce digital divides while taking into consideration national and international policies in this regard, including by gathering representative and gender-disaggregated data on the gender digital divide, c. Facilitating the adoption of international standards to ensure interoperability and resilience of networks, d. International cooperation and sharing of best practices, including examples of how stakeholders can mitigate the impact of COVID-19 and possible future pandemics such as facilitating better collaboration with the private sector, SMEs and civil society were highlighted.“ In: https://www.itu.int/md/S21-OPCWGINT9-C-0003/en
  2. [2] Contribution by the Russian Federation, RISK ANALYSIS OF THE EXISTING INTERNET GOVERNANCE AND OPERATIONAL MODEL, Document CWG-Internet-16/4-E, 9 September 2021: „The proper functioning of the national domain of the Internet and its reliable connection and integration with the global network has become a vital function for any state, economy and population. And here the question rightly arises: is the existing Internet governance system able to cope with potential threats to the integrity and resilience of the network, to give a worthy response to such a global challenge? Internet emerged as a research project and at the initial stage existed in the academic environment on the self-organization basis. The institutionalization of Internet governance mechanisms was carried in the mid-1990s and was adequate to the scale and importance of the Internet at that time. Since then, the importance, scale and level of penetration of Internet services in all areas of life: public services, economy, daily life of people, have increased many times, but the principles and mechanisms of governance the global network have remained the same. The Russian Federation has repeatedly expressed concern on the lack of reliable guarantees for the Internet development and security at various international platforms. Currently, there is not a single international legal act that would guarantee the integrity and security of the Internet's public core, and without such fundamental instruments, it is impossible to ensure the long-term and productive development of the Internet and its services globally. The key threats to the security and stability of the existing governance and operational model of the Internet are the lack of international status of organization-operators of critical infrastructure and lack of international legal acts guaranteeing immunity of its operational activity, as well as the lack of effective international regulation of digital services. Prepared by a working group of Russian experts: representatives of the Internet industry, government bodies, technical and scientific experts "Risk Analysis of the Existing Internet Governance Model" is given in Appendix No. 1 . These threats can cause numerous critical risks for national segments of the Internet and for the integrity, resilience and security of the global network as a whole. Now, certain aspects of regulation are divided between various organizations and their efforts are largely uncoordinated, while the complexity of regulation requires close international cooperation of all stakeholders. The COVID-19 pandemic naturally led to increasing the role of state as a mechanism of public organization, as well as the role it plays in the life of society. At the same time, the scale of challenges for global network connectivity is such that neither Internet giants (Big Tech), nor entire sectors of the Internet economy can deal with them properly. In the context of an aggravated international situation, Internet space uncontrolled militarization and cybercriminals significantly increasing their strength for attacking the global infrastructure, it is the states that must act as guarantors of the stability and integrity of the Internet's public core.“ In: https://www.itu.int/md/S21-RCLINTPOL16-C/en
  3. [3] Report by the Chairman REPORT OF THE SIXTEENTH MEETING OF THE COUNCIL WORKING GROUP ON INTERNATIONAL INTERNET-RELATED PUBLIC POLICY ISSUES (CWG-INTERNET), Genf 23. September 2021, in: https://www.itu.int/md/S21-RCLINTPOL16-C-0008/en