Q3/2021 - NATO
Rede von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf der 17th Annual NATO Conference on Arms Control, Disarmament and Weapons of Mass Destruction, Brüssel, 6. September 2021
Bei einer Rede am 6. September 2021 äußerte sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ausführlich zu den Herausforderungen, die neue Technologien für mögliche zukünftige militärische Auseinandersetzungen und Abrüstungsverhandlungen mit sich bringen. „We need to address the consequences of new disruptive technologies or artificial intelligence, facial recognition, autonomous systems and especially when they are merged together in new weapon systems, the consequences they have for arms control but of course also for our overall security.“ Es würde weitgehend unterschätzt, wie disruptive internet-basierte Technologien die Natur kriegerischer Auseinandersetzungen im digitalen Zeitalter verändern.
Stoltenberg sagte, dass der bislang stets vorhandene Technologievorsprung des Westens gegenüber potenziellen Feinden nicht mehr als gegeben angenommen werden kann. Das zeige z.B. das neue russische „Hypersonic Glide Vehicle System“. Die Diskussionen um 5G hätten ins Bewusstsein gerufen, dass man in einem dramatischen Technologiewettbewerb steht. Man dürfe potenzielle Feinde nicht mit modernster Technologie versorgen oder sich den Spion ins Haus holen. Er schlage kein neues COCOM vor. COCOM war im kalten Krieg von der NATO als Instrument entwickelt worden, um eine Technologie-Transferbarriere zwischen Ost und West zu errichten und die Sowjetunion daran zu hindern, im Westen z.B. Computertechnologie einzukaufen. COCOM sei kein Modell, man müsse aber über die sich aus der technologischen Revolution für das Militär ergebenden Konsequenzen reden.
Stoltenberg warnte auch vor der Gefahr des Hereinschlitterns in eine militärische Auseinandersetzung. Vor dem 1. Weltkrieg hätten die Regierungen die Konsequenzen der industriellen Revolution für moderne Kriegsführung – z.B. der Entwicklung des Flugwesens und der Chemie - unterschätzt und man sei in eine Katastrophe hineingestolpert. „Living in Belgium, I've learned a lot about the First World War and how the world underestimated the consequences of the Industrial Revolution, or on warfare. And we just must avoid doing the same mistake that even if we in theory, know that all these new technologies would totally change how wars are fought or weapons are working, and that we realize those dangers before we end up in a situation where we really need to get this tested for real.“
Auch Abrüstungsverhandlungen müssten neu durchdacht werden. Solange es bei diesen Verhandlungen um die Zahl von Panzern, Flugzeugen oder Sprengköpfen ging, war es relativ einfach, sich zu verständigen und einen Kompromiss zu finden. Mit autonomen Waffensystemen sei das schwieriger. „Because as long as arms control was very much about counting warheads, I think it was, was a relatively easy to agree. But now when we need to, in a way, deal with algorithms, artificial intelligence, totally different systems, we haven't really developed the tools, the parameters to decide what is verifiable and balanced arms controlled in cyberspace, and with all these new disruptive technologies. I'm absolutely certain it's possible, but we need them, the experts, we need the political will, we need this combination of real experts on these different technologies combined with the the political leadership.“[1]
Rede des stellvertretenden NATO-Generalsekretärs Mircea Geoană auf der AI & Cyber Konferenz, Sofia 28. September 2021
In einer Rede auf einer Expertenkonferenz zur künstlichen Intelligenz am 28. September 2021 in Sofia hat sich der stellvertretende NATO-Generalsekretär Mircea Geoană erneut zum Thema Cybersicherheit und künstliche Intelligenz (KI) geäußert[2]. Er warnte wie in früheren Reden vor einem „Sputnik-Moment“, d.h. einem Vorsprung Russlands oder Chinas bei autonomen Waffensystemen. „Future conflicts will be increasingly defined by bytes and big data, as much as bullets and battleships“. Geoană informierte über Pläne zur Schaffung eines „Defence Innovation Accelerator for the North Atlantic (DIANA), den er eine „innovation pipeline across the Atlantic“ nannte, sowie über einen neuen „NATO Innovation Fund“. Beide Initiativen sollen beim nächsten NATO-Gipfel in Madrid im Sommer 2022 verabschiedungsreif sein. Die NATO müsse noch enger mit der Industrie and akademischen Einrichtungen zusammenarbeiten, um den technischen Vorsprung gegenüber China und Russland behaupten zu können. Ziel der neuen Initiativen sei es „to encourage all Allies to work even more closely together with industry, with start ups and academia, to develop the next generation of technologies, in order to meet our defence and security needs…and to invest in start-ups, developing cutting edge dual use technologies.“. Der „Chief Scientist“ der NATO würde mittlerweile mit einer Kerngruppe zusammenarbeiten, der 5.000 Experten aus allen Teilnehmerländern der NATO angehören. „The depth, the sophistication of our triple helix of public sector, private sector and academia is unrivalled in the world.“[3]