Q4/2019 - Europäische Union
Brüssel, 1. Dezember 2019
Reden von EU-Vizepräsidentin Margarethe Vestager, Kopenhagen, 5. Dezember 2019 und Brüssel, 9. Dezember 2019
Die neue Europäische Kommission hat am 1. Dezember 2019 ihre Arbeit aufgenommen. In der neuen Kommission ist vor allem die Vize-Präsidentin, Margrethe Vestager, für die Digitalpolitik zuständig. Vestager steht einer neuen intersektoralen Gruppe von EU-Kommissaren – der „Commissioners’ Group on a Europe Fit for the Digital Age“ – vor. In zwei Reden Anfang Dezember 2019 präsentierte Vestager Kernelemente ihrer zukünftigen Politik.
Bei einer Rede zum 50. Jahrestag des Internet am 5. Dezember 2019 in Kopenhagen erläuterte sie, dass die Vision der Gründer des Internet für ein „ethisches, offenes, vertrauenswürdiges, freies und miteinander geteiltes Internet“, in dem „gemeinsame Interessen und Werte und nicht Geld“ entscheidend sind, nicht mehr den heutigen Realitäten entspricht. Das Internet sei ein Platz geworden, bei dem es um Geld und Macht gehe, in dem „die Stimmen von CEOs und Regierungen“ dominierten. Vestager sagte, dass weder staatliche Kontrolle noch monopolistische Dominanz der „europäische Weg“ sein könne. Europe müsse das Interesse der Bürger, d.h. der Nutzer und Verbraucher, in den Mittelpunkt stellen: „In the face of corporate power and state power in the Internet, Europe’s approach should be based on a clear guideline: people’s power. The focus of our efforts must be to ensure citizens are empowered to take decisions on how their data are used, and that technology is developed to serve humans. The global Internet should be an open, safe and secure cyberspace where human rights and fundamental freedoms and the rule of law fully apply, with a view to societal well-being, economic growth and the integrity of free and democratic societies."
In einer weiteren Rede am 9. Dezember 2019 in Brüssel, forderte Vestager einen innovativen Ansatz für eine neue Wettbewerbspolitik, die die qualitativen Veränderungen der Wirtschaft der letzten zwei Jahrzehnte berücksichtigt. Die alten Mechanismen von Wettbewerbspolitik, die sich u.a. über den Preis für Produkte und Dienstleitungen entwickelte, würden in einer digitalen Welt, wo viele Dienste kostenfrei seien, so nicht mehr funktionieren. Viele der neuen Geschäftsmodelle böten ein ganzes Ecosystem von Diensten an. Die neu entstandenen digitalen Plattformen hielten damit Konsumenten in ihren proprietären System gefangen. Dem Aufbrechen dieser digitalen „walled gardens“ müsse eine moderne Wettbewerbspolitik Rechnung tragen[1].
Resolution des Europäischen Parlaments zu „Fair Taxation in a Digitalised and Globalised Economy“, Straßburg, 18. Dezember 2019
Das Europäische Parlament hat am 18. Dezember 2019 eine Resolution zur Digitalsteuer (Fair taxation in a digitalised and globalised economy) verabschiedet. Die Resolution ist die bislang umfangreichste Positionierung des Europäischen Parlaments zu dem strittigen Thema, das vor allem in der WTO, der OECD und den G20 diskutiert wird.
Die Resolution bezieht sich auf die OECD/WTO Diskussionen und fordert von der Europäischen Kommission und den EU Mitgliedstaaten eine „ambitionierte EU-Position“ bei den bevorstehenden Verhandlungen, um einen fairen Mechanismus für eine globale Digitalsteuer zu entwickeln. Die momentanen Praktiken von Steuerflucht und Steuervermeidung großer Digitalkonzerne müsse beendet werden.
Das Europäische Parlament bedauert, dass es bislang nicht zu einer einheitlichen Position aller EU-Mitglieder gekommen ist und fordert die EU auf, zukünftig mit einer Stimme zu sprechen. In diesem Zusammenhang ermutigt das Europäische Parlament die Europäische Kommission, Möglichkeiten zu erkunden, wie in den Verhandlungen eine einheitliche Position entwickelt werden kann, ohne dafür ein einstimmiges Votum des Europäischen Rates zu benötigen. Das Parlament erinnert dabei an Vorschläge der Europäischen Kommission für eine „Roadmap to qualified majority voting“ vom 15. Januar 2019.
Sollte bis zum Ende des Jahres 2020 keine internationale Einigung erzielt werden, fordert das Europäische Parlament die neue Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, auf, eine eigenständige EU-Lösung zur Frage der Digitalsteuer vorzuschlagen[2].
Frankreich war 2019 mit einer nationalen Digitalsteuer vorgeprescht, was zu heftigen Verstimmungen und Sanktionsdrohungen seitens der USA geführt hat. Die Präsidenten Macron und Trump hatten sich am Rande des G7-Gipfels in Biarritz darauf verständigt, die französische Digitalsteuer und die amerikanischen Sanktionsdrohungen zurückzunehmen, wenn es eine internationale Einigung im Rahmen der OECD und der G20 geben würde. Mittlerweile haben auch Italien sowie mehrere nicht-europäische Länder angekündigt, eine nationale Digitalsteuer zu erheben. Die Finanzminister Frankreichs und der USA, Bruno Le Maire und Steven Mnuchin, wollen sich am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforum im Januar 2020 treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen[3].