Q4/2019 - UN Cybersecurity Groups (OEWG & UNGGE)
Open-Ended Working Group/OEWG, New York, 2. – 4. Dezember 2019
Vom 2. bis 4. Dezember 2019 fand in New York eine sogenannte „Informal Intersessional“ Sitzung der „UN Open-Ended Working Group on Developments in the Field of Information and Telecommunications in the Context of International Security“ (OEWG) statt.
Es war das erste Mal in der Geschichte der UNO, dass ein zwischenstaatliches Gremium wie die OEWG eine offene Konsultation auf gleichberechtigter Basis mit nicht-staatlichen Vertretern aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft führte. An der informellen Konsultation nahmen jeweils rund 100 Vertreter von Regierungen und nicht-staatlichen Organisationen und der Wirtschaft teil. Der Verhandlungssaal war in zwei terrassenförmig angelegte Bankreihen geteilt, wobei der Gang die staatlichen von den nicht-staatlichen Vertretern trennte. Während am ersten Tag der Konsultationen vorwiegend die nicht-staatlichen Vertreter das Wort ergriffen, entwickelte sich nach einer kritischen Bemerkung von Duncan Hollis, Rechtsprofessor von der Temple University (und ehemaliges Mitglied der Faculty der Summer School on Internet Governance/EURO-SSIG), der die Regierungen direkt aufforderte, nicht nur zuzuhören, sondern in einen Dialog einzutreten, eine intensive Kommunikation über den „Gang“ hinweg. Sowohl der OEWG-Chair, der Schweizer Diplomat Jürg Lauber, als auch David Koh, Direktor der Cybersicherheitsbehörde von Singapur, der als Chair der „Informal Intersessional“ agierte, würdigten in ihren Abschlussbemerkungen diesen gleichberechtigen Dialog zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Vertretern im Bereich von Cybersicherheit als ein für die UNO historisches Ereignis und eine Innovation für die Diskussion von Gremien, die unter dem 1. Ausschuss der UN Vollversammlung agieren.
In der Substanz ging es um vier Themen: a. Bedrohungsszenarien, b. Verhaltensnormen für Staaten im Cyberspace, d. vertrauensbildende Maßnahmen und d. kapazitätsbildende Maßnahmen.
- Bei den Bedrohungsszenarien informierten insbesondere Vertreter der technischen Community und von NGOs – wie FIRST oder das IGF Best Practice Forum on Cybersecurity – über eine neue Qualität von Cyberangriffen, u.a. auf die Kernbestandteile des Internet wie das Domain Name System (DNS).
- Bei dem Thema Normen für staatliches Verhalten im Cyberspace verwies die Global Commission on Stability in Cyberspace auf ihren Abschlussbericht, der Vorschläge für acht Normen enthält, die nicht nur Staaten, sondern auch nicht-staatliche Akteure binden sollen;
- Bei den Themen vertrauens- und kapazitätsbildende Maßnahmen boten das Global Forum for Cyberexpertise (GFCE), NGOs wie Access Now oder Global Digital Partner sowie das neu gegründete CyberPeace Institute in Genf, ihre Dienste in Bezug auf Monitoring und Weiterbildung an.
Aus der Wirtschaft beteiligten sich u.a. Microsoft, Telefonica und Huawei mit eigenen Vorschlägen. Erwähnung fanden Initiativen wie Tech Accord (Microsoft) oder Charter of Trust (Siemens). Das Internationale Rote Kreuz (ICCR) gab einen Überblick über die Implikationen der Anwendung von autonomen Waffensystemen für das internationale humanitäre Völkerrecht (Genfer Konventionen). Die sogenannten I*Organisationen der technischen Community (ICANN, RIRs, ISOC, IETF) waren nicht vertreten, was bei der Mehrheit der Teilnehmer mit Bedauern zur Kenntnis genommen wurde.
Von Seiten der Regierungen wurde grundsätzlich diese neue Form des Dialogs „über den Gang“ hinweg begrüßt und als eine Bereicherung angesehen. Einige anwesende Regierungen, wie Russland und China, beteiligten sich nicht an diesem Dialog. Der Vorsitzende der „Informal Intersessional“ David Koh, der auch Mitglied der Global Commission on Stability in Cyberspace war, wird den Bericht über diese Tagung der nächsten formellen OEWG-Sitzung Anfang Februar 2020 in New York vorlegen. Es bleibt dann den Regierungen vorbehalten, wie sie mit diesem Input umgehen und welche mittelfristigen Konsequenzen sie aus den positiven Erfahrungen dieser Informal Intersessional ziehen.
Das momentane Mandat der OEWG endet im Herbst 2020, wenn die OEWG der 75. UN-Vollversammlung einen Abschlussbericht vorlegen muss. Es wird aber erwartet, dass das Mandat der OEWG verlängert wird. Im Unterschied zur UNGGE ermöglicht die OEWG die Teilnahme aller UN-Mitglieder und eröffnet auch Optionen für einen Multistakeholder-Dialog. Manche Teilnehmer sprechen bereits von der Möglichkeit, dass sich die „Open-Ended WG“ zu einer „Never Ending WG“ entwickelt, d.h. zu einem permanenten Element in der sich neu herausbildenden Cybersicherheitsarchitektur der UN werden könnte.
Group of Governmental Experts/UNGGE, New York, 5. – 13. Dezember 2019
Die 25 Mitglieder der 6. UN-Group of Governmental Experts (UNGGE6) hatten ihre erste offizielle Sitzung vom 9. bis zum 13. Dezember 2019 in New York. Die Sitzung war nicht öffentlich. Eine Verlautbarung nach dem Treffen gab es nicht:
Vorgeschaltet waren zweitätige informelle Konsultationen mit den UN-Staaten, die nicht Mitglied der UNGGE6 sind. Die Mitgliedschaft in der UNGGE begrenzt sich auf 25 Staaten. Bei den informellen Konsultationen standen die Berichte über die fünf regionalen Konsultationen im Mittelpunkt[1]. Entsprechend der UN Resolution 73/223 war die UNGGE verpflichtet, solche regionalen Konsultationen mit der Afrikanischen Union, der Europäischen Union, der OSZE, der ASEAN und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) abzuhalten. Alle diese Institutionen sind zwischen-staatliche Gremien. Eine Konsultation der UNGGE mit nicht-staatlichen Stakeholdern ist nach der UN-Resolution 73/223 nicht vorgesehen.
Der Vorsitzende der UNGGE, der brasilianische Botschafter Guilherme de Aguiar Patriota, fasst die Ergebnisse in insgesamt sechs Punkten zusammen[2]. Demnach gibt es Konsensus, dass die Arbeit der 6. UNGGE auf den bisherigen Resultaten der Konsensberichte der UNGGEs von 2013 und 2015 aufbauen soll. Es dürfe nicht wieder passieren, dass die UNGGE, wie im Jahr 2017, ohne ein Resultat ihre Arbeit beendet. Die erreichte Übereinstimmung, wonach das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen für alle Sicherheitsfragen im Cyberspace relevant seien, müsse erhalten bleiben, selbst wenn es Differenzen über die Interpretation einzelner Artikel der UN-Charta gäbe. Notwendig sei, sich mit den neuen technischen Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge und künstlicher Intelligenz, auseinanderzusetzen. Eine Schlussfolgerung aus den regionalen Konsultationen sei, dass Vereinbarungen zu vertrauens- und kapazitätsbildenden Maßnahmen – ein Mandat der UNGGE6 – vor allem im regionalen Rahmen Sinn machen. Botschafter Patriota unterstrich auch, dass es ein größeres Maß an Transparenz für die Arbeit der UNGGE geben müsste. Er kündigte informelle Briefings der UNGEE nach jeder formellen UNGGE-Sitzung an. Zur Einbeziehung von nicht-staatlichen Akteuren sagte er nichts.
Im Jahr 2020 sind zwei Sitzungen der UNGGE in Genf geplant (März 2020 und August 2020). Eine abschließende Sitzung ist für den Mai 2021 in New York vorgesehen. Die UNGGE muss der 76. UN-Vollversammlung im Jahr 2021 berichten.