Q4/2020 - 15. Internet Governance Forum (vIGF 2020)

15. Internet Governance Forum (vIGF 2020), 9. – 17. November 2020

Das 15. Internet Governance Forum (IGF) fand vom 9. – 17. November 2020 erstmalig als virtuelles Forum statt. Es stand unter dem Slogan “Internet Governance in the Age of Uncertainty“ und wurde in zwei Phasen präsentiert: In der ersten Phase (2. bis 6. November 2020) gab es die sonst als „Day Zero“ geplanten Veranstaltungen sowie Events des ursprünglichen lokalen Gastgebers Polen. In der zweiten Phase (9. bis zum 17. November 2020) gab es das reguläre Programm. Inhaltlich bildete neben der Rolle des Internet bei der Bewältigung der Pandemie die von UN-Generalsekretär António Guterres im Juni 2020 veröffentlichte „Roadmap on Digital Cooperation“ einen Schwerpunkt der Diskussion, die ansonsten nahezu alle politischen Konflikte im globalen Internet Governance Ecosystem – von Cybersicherheit über digitale Wirtschaft und digitale Menschenrechte bis zur Künstlichen Intelligenz – abdeckte.

  • Insgesamt hatten sich für die 295 IGF-Sessions 6.150 Teilnehmer registriert. Zum Programm gehörten 80 Pre-Events, 84 Workshops, 28 Open Fora sowie 28 Treffen von Dynamic Coalitions (DCs), Best Practice Foren (BPF) und nationalen und regionalen IGFs (NRI)s. Zusätzlich gab es sechs sogenannte „High Level and Leaders Sessions“ und ein parlamentarisches Rundtischgespräch. Mehr als die Hälfte der registrierten Teilnehmer nahmen erstmals an einem IGF teil. Bei den Teilnehmern sind nach wie vor Zivilgesellschaft und akademische Community überrepräsentiert. Dank der 27 Remote Hubs gab es eine relativ breite Beteiligung von allen Kontinenten, d.h. auch vom „globalen Süden“. Das Geschlechtsgleichgewicht war ausgewogen (52% männlich - 47% weiblich). Unterrepräsentiert war die Beteiligung von Medien und Parlamentarier. Während des IGFs hatte die IGF-Website rund eine halbe Million Clicks. Die meisten kamen davon aus den USA, Großbritannien, China, Polen, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Indien, Brasilien, Russland, Nigeria und der Schweiz. Über die sozialen Medien – Twitter, Instagram, WhatsApp – wurden rund 20 Millionen Menschen erreicht. Das „UN Web TV“, das die High Level Sessions Live übertrug, registrierte 15.000 Zuschauer, d.h. rund 1.000 Zuschauer pro Session. Alle IGF-2020-Sessions sind auf dem IGF-YouTube-Kanal dokumentiert und abrufbar.
  • Das vIGF begann am 9. November 2020 mit einer Rede des Präsidenten der 75. UN-Vollversammlung, Volkan Bozkir. Zu den Key Note Speakern der Eröffnung gehörten ECOSOC-Präsident Munir Akram, Jeffrey Sachs von der Columbia University New York, die ehemalige Präsidentin der Schweiz, Doris Leuthard, ITU-Generalsekretär Houlin Zhao sowie für die Wirtschaft Victoria Grand (WhatsApp) und die Zivilgesellschaft Chat Garcia Ramilo (Association for Progressive Communications/APC)[1]. Zum Abschluss des vIGF am 17. November 2020 sprach UN-Generalsekretär António Guterres. In seiner Rede verwies Guterres auf seine „Roadmap for Digital Cooperation“ und setzte sich für eine stärkere Rolle des IGF in der digitalen Geopolitik der 2020er Jahre ein[2].
  • Das vIGF 2020 produzierte ein relativ breites Spektrum von konkreten Ergebnissen. Dazu gehören neben der Zusammenfassung des MAG Chairs, den „IGF-Messages“ und den Berichten der Workshops auch die Reports der „Dynamic Coalitions“ (DCs), der „Best Practice Forum“ (BPFs) und der mittlerweile 131 nationalen und regionalen IGFs (NRIs). Von Bedeutung waren auch die „Output-Dokumente“ des 2. Parlamentarischen Rundtisch-Gesprächs und des Jugendforums.  
    • IGF 2020 Summary and Messages: Die beim 12. IGF 2017 in Genf begonnene Tradition, neben der Zusammenfassung des MAG Chairs auch sogenannte „IGF Messages“ als Quintessenz der Diskussion zu verabschieden wurde auch beim vIGF 2020 praktiziert. Insgesamt enthält der Abschlussbericht dreißig „Messages“ der sogenannten „High Level and Leaders Sessions“ sowie 27 Empfehlungen zu den fünf Schwerpunktthemen: Datenmanagement, Umwelt, Inklusion, Vertrauen, Digitale Zusammenarbeit. Die acht Empfehlungen zum Thema Vertrauen betreffen u.a. Fragen wie Digitale Souveränität, Schutz der Privatsphäre und Cybersicherheit[3]. Die sechs Empfehlungen zum Thema „Digital Zusammenarbeit“ unterstützen die von UN-Generalsekretär António Guterres vorgeschlagene Reformen für das globale Internet Governance Ecosystem[4].
    • IGF Parliamentarian Roundtable: Am 10. November 2020 fand zum zweiten Mal innerhalb des IGF ein Parlamentarisches Rundtisch-Gespräch statt. 2019 hatte die deutsche Bundesregierung beim IGF in Berlin ein spezielles Programm für Parlamentarier innerhalb des IGF organisiert. Das Berliner Parlamentarische Rundtisch-Gespräch verabschiedete ein Dokument, benannt nach dem 2019 verstorbenen deutschen Parlamentarier Jimmy Schulz (Jimmy Schulz Call) in dem eine dauerhafte Einbeziehung von Parlamentariern in das IGF gefordert wird. Diese Forderung wurde reflektiert in der „Roadmap on Digital Cooperation von UN-Generalsekretär António Guterres (Juni 2020) und im Option Paper zu der HLP-Empfehlung 5A/B (September 2020). Dort wird die Etablierung eines „Parliamentarian Track“ als ein wichtiger Baustein für eine Reform des IGF zu einem IGF+ bezeichnet. Das 2. Parlamentarische Roundtable, das mit Unterstützung der Interparlamentarischen Union (IPU) als ein virtuelles Event stattfand, verabschiedete ein Dokument mit weiterführenden Empfehlungen. Vorgeschlagen wird die Bildung einer ständigen informellen Parlamentsgruppe innerhalb des IGF (Informal Parliamentarian IGF Group/IPIG), verschiedene Aktivitäten für eine „Inter-Sessional-Work“, parlamentarische Roundtables im Rahmen regionaler und nationaler IGFs sowie die Bildung eines Sekretariats für ein noch zu bildendes „Leadership Team“ (LT) einer IPIG[5].  

IGF-MAG Strategy Group, Dezember 2020

Die von der Multistakeholder Advisory Group (MAG) des IGF im Juli 2020 gebildete Strategiegruppe (MAG/IGF-Strategy) hat die Arbeit an einem Grundsatzpapier zur Reform des IGF im Lichte der Ergebnisse des vIGF 2020 fortgesetzt. Der Plan ist, im Januar 2021 dem neuen „UN Technology Envoy“ ein umfassendes Paket mit konkreten Vorschlägen, u.a. für die Bildung eines neuen „Multistakeholder High Level Body“ sowie eines „Parliamentarian Track“ für ein IGF+ vorzulegen.

Das 16. Internet Governance Forum findet vom 6. bis 10. Dezember 2021 in Katowice statt. Am 27. Januar 2021 findet ein MAG Meeting statt. Ein „Call for Inputs“ für das 16. IGF wurde veröffentlicht. Die erste Serie der „Open Consultations“ ist für den 27. und 28. Februar 2021 als virtuelle Treffen geplant.  Für 2022 und 2023 stehen Japan und Äthiopien als Gastgeber für das 17. und 18. IGF fest. Für 2025 hat sich Russland als Ausrichter beworben. Das gegenwärtige Mandat des IGF endet 2025. Die WSIS-Überprüfungskonferenz (WSIS+20) muss 2025 über eine Verlängerung und Erweiterung des IGF-Mandats entscheiden.

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Q4/2020IGF
  1. [1] Internet Governance Forum calls for bridging digital divides, harnessing the Internet to support human resilience and build solidarity amid COVID-19 , 9. November 2020: „The multistakeholder high-level opening panel noted that people are living through times of intense digital transformation and that it was imperative for leadership in all sectors to invest more in a safe and secure, open Internet that is accessible to all. Many echoed that action is required to reach those who are commonly left behind, to ensure they walk the path of progress with everyone: girls and women, young and older populations, refugees, migrants, and displaced persons, indigenous peoples, and persons with disabilities. Small island developing states as well as least developed and landlocked developing countries also face a widening digital gap with developed countries. The President of the General Assembly, Volkan Bozkir, said: “The SDG target of achieving universal connectivity by 2020 has not been met. In fact, 3.6 billion people continue to lack access to the internet.” Drawing attention to the existing inequalities, he said that the digital divide was exacerbating the situation and “eroding development gains in countries and communities that are disconnected from the rest of the world”. Pointing to the Decade of Action, he stressed that its delivery had been derailed by the pandemic and called for action. “We can use this moment to fast track progress globally, to invest in a sustainable recovery that is guided by the SDGs. Addressing the digital divide is a significant part of this.” The President of the Economic and Social Council, Munir Akram, noted that the ongoing digital revolution had led to the creation of enormous wealth in record time, concentrated predominantly in just a few countries. He called for urgent action to allow developing countries to benefit from digital and other cutting-edge technologies such as artificial intelligence, quantum computing, and robotics.‎ Jeffrey Sachs of Columbia University pointed out that the ‘era of e-everything’ brought immense opportunities for progress only if everyone was connected and equipped with skills and knowledge on how to safely use the Internet. Youth representative Pamela Cretu emphasized the importance of investing in young people.“, siehe: https://www.un.org/sustainabledevelopment/blog/2020/11/internet-governance-forum-calls-for-bridging-digital-divides-harnessing-the-internet-to-support-human-resilience-and-build-solidarity-amid-covid-19/
  2. [2] UN-SECRETARY-GENERAL ANTONIO GUTERRES, VIDEO MESSAGE TO THE CLOSING OF THE 15TH ANNUAL INTERNET GOVERNANCE FORUMINTERNET GOVERNANCE IN THE AGE OF UNCERTAINTY, New York, Online, 17. November 2020: „The IGF has a vital role in connecting the dots on the global digital map. But it cannot fulfil this role unless it reaches decision-makers. We must now act decisively and urgently to strengthen the IGF, so that it can enhance its unique role in the digital cooperation architecture. After more than a decade of consultations, we have identified several areas for improvement. These range from increasing the Forum’s visibility and funding sustainability, to a proposed multi-stakeholder high-level body within the IGF that can translate its important discussions into concrete impact. My Roadmap sets out a series of actions to this end, and I intend to move quickly on those that fall under my responsibility. We need an Internet Governance Forum that is responsive, relevant and impactful. We need it to be a place where governments, companies, technical experts and civil society from all parts of the world come together, share ideas, debate solutions and agree on common standards and principles.“, siehe: https://www.intgovforum.org/multilingual/content/igf-2020-outputs
  3. [3] IGF 2020 Summary, Fifteenth Meeting of Internet Governance Forum, 2. bis 17. November 2020, Main Messages: “Trust: 1. The global cross-border nature of the Internet is challenging the notion of sovereignties. Collaboration across borders is becoming the new normal; 2. Most actors, be it businesses, SMEs, research institutions, or the civil society want to have the possibility to be their own masters when it comes to data, technological development, and new business models; 3. The old rules of scarcity and control are losing significance in a data driven economy, and discussions should focus on data as a shared resource to enable social and economic development; 4. Personal data is only one of many types of data, industrial data being another example. While sovereignty and data localisation discussions often focus on controlling data for political ends, there is also a legitimate rationale for data localisation or at least data control in order to develop economies; 5. The implementation and adoption at national level of existing norms, frameworks and charters is still minimal. Many developing countries are not involved in negotiations on digital sovereignty. Efforts are needed to reflect the perspective and interests of local communities and nations; 6. People-centered approaches and trust are important ingredients for the discussion on digital sovereignty. People’s data must be treated in a transparent way, and individuals must know what purpose their data is serving; 7. Some countries lack the protection provided by the constitution or rights and legal frameworks, such as anti-hate speech legislation; 8. The Internet was designed to encourage global interconnectivity and to be oblivious to international borders. Getting as many people, devices and networks as possible connected, was and continues to be the goal. The Internet’s development should not be tailored to the requirements of any particular jurisdiction. The small set of core infrastructure that maintains the global unity of the Internet should not be threatened by attempts that could result in fragmentation.“, siehe: https://www.intgovforum.org/multilingual/content/igf-2020-outputs
  4. [4] IGF 2020 Summary, Fifteenth Meeting of Internet Governance Forum, 2. bis 17. November 2020, Main Messages::“Digital Cooperation: 1. There is a need for global digital cooperation more than ever: digital divides are deepening, rather than being bridged, 2. IGF as a multistakeholder forum has been an effective mechanism for disseminating good practices and generating capacity building initiatives among participants who meet at the IGF, exchange information and ideas, and then work on implementable solutions in between IGF meetings. As such, it is a good model for how to conduct multistakeholder digital cooperation in ways that lead to actionable outcomes, 3. While the Internet now underpins so much of the world’s social, economic, cultural and other activities, it is important not to take the Internet’s development, or its governance frameworks, for granted. The Internet may have started as a network allowing open exchange of information and innovation, but more recent trends suggest that fragmentation could become the new normal, unless stakeholders engage and work towards a framework of global digital cooperation that benefits all; 4. The work by the Secretary-General’s office to take forward the Roadmap for Digital Cooperation is already producing outcomes, with partnerships beginning to emerge after the online roundtables that have been held and governments committing to be champions for various aspects of the roadmap; 5. The IGF isn’t just a once-a-year event, but has a range of intersessional processes, and stakeholders should be encouraged to continue the discussions and activities between annual events; 6. There is value in IGF’s facilitation of policy discussions, not necessarily with concrete outcomes emerging in every case, as there is no other space that provides a similar space for sharing ideas and raising issues in an open and frank manner. IGF can both maintain that function, while also finding more concrete ways to move forward on issues.“, siehe: https://www.intgovforum.org/multilingual/content/igf-2020-outputs
  5. [5] Output Document from the Parliamentary Roundtable, 15. UN Internet Governance Forum, 10. November 2020, Building Trust in a time of COVID-19 response and post-COVID-19 recovery: „a. Introduces as a permanent practice an annual high-level segment and ministerial and parliamentarian tracks, ensuring more actionable outcomes.b. promotes the formation of a permanent informal working group of Parliamentarians, aimed at facilitating the exchange of information and good practice experiences among members of national parliaments with regard to the preparation, adoption and implementation of legislation on Internet related public policy issues, through participation at the IGF, and to support concrete efforts to close the digital divide between developed and developing countries; c. investigates the feasibility of the establishment of a global repository of national legislations on Internet related public policy issues and regulatory frameworks on the development and use of digital technologies“, siehe: https://www.intgovforum.org/multilingual/content/igf-2020-outputs