Quartalsbericht Q4/2021 - Zusammenfassung

Die Entwicklungen rund um Internet Governance haben im 4. Quartal 2021 vor allem einen Trend bestätigt: In dem Maße, in dem  Internet-relevante Frage wie Cybersicherheit oder die Entwicklung der Digitalwirtschaft zu grundlegenden politischen Fragen wurden und die Digitalisierung alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens betraf, wird Internet Governance in die geo-strategischen politischen Auseinandersetzungen zwischen politischen Großmächten - die mittlerweile auch alle „Cybergroßmächte“ sind - hineingezogen. Ein einstmals technisches Problem mit politischen Implikationen ist zu einem politischen Problem mit einer technischen Komponente geworden.

Verstetigt hat sich im 4. Quartal 2021 auch eine andere, eher negative Entwicklung: Galt das Internet vor 20 Jahren als ein Freiheits-, Demokratie- und Wohlstandsversprechen, ist es heute angesichts explodierender Cyberkriminalität, Desinformationskampagnen und digitaler Massenüberwachung zu einem Risikofaktor für den Einzelnen wie für die gesamte Gesellschaft geworden.

Diese widersprüchlichen Trends zeigen sich in allen vier Hauptbereichen des globalen Internet-Governance-Ökosystems: Cybersicherheit, Digitalwirtschaft, Menschenrechte, neue Technologien. In jedem der vier Bereiche haben sich dabei selbständige Unterbereiche entwickeln, in denen vor allem Regierungen versuchen, durch zwischenstaatliche Verhandlungen punktuelle Lösungen für die sich durch Digitalisierung und eine erweiterte Internet-Nutzung angestauten Probleme zu finden.

Die meisten der politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Internet-Probleme entstehen auf der Anwendungsebene. Die darunter liegende Infrastrukturebene (TCP/IP, DNS, http etc.) ist davon nur indirekt betroffen. Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass die Funktionsfähigkeit des öffentlichen (technischen) Kerns des Internet und seiner Infrastruktur – das problemlose Zurverfügungstellen von Ressourcen wie Domainnamen und IP-Adressen, die Praktikabilität der Internet-Protokolle, die Belastbarkeit des Root- und Name-Server-System, Routing, Satelliten- und Kabelkommunikation etc. – den Stresstest des enormen Anwachsens der Internet-Nutzung durch Zoom-Konferenzen, Online Shopping und Distance Learning bestanden hat.

Diese Dichotomie wirft eine Reihe neuer Fragen für Internet Governance auf, insbesondere wie die beiden Ebenen – Infrastruktur und Anwendung – miteinander verbunden sind und wie sie aufeinander einwirken. In der Tunis Agenda des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (WSIS) wurde eine breite Definition von Internet Governance angenommen, die beide Ebenen einschloss, d.h. sowohl das technische Management (die sogenannten ICANN Issues) als auch die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekte (die sogenannten „Internet related Public Policy Issues“). Die WSIS-Definition differenzierte das in der „Tunis Agenda“ mit den Begriffen „Entwicklung“ (development) und „Nutzung“ (use) des Internet, ohne dies jedoch zu spezifizieren oder zu erklären, wie die beiden Ebenen interagieren. Später wurde dies als ein „Two-Layer-System“ (Governance OF the Internet und Governance ON the Internet) interpretiert.

Das Problem ist, dass es auf der Infrastruktur-Ebene ein globales, grenzenloses und un-fragmentiertes Internet gibt (One World, One Internet), während auf der Anwendungsebene 193 sehr unterschiedliche nationale Jurisdiktionen koexistieren, kooperieren oder konfligieren (One World, 193 Jurisdictions). ICANNs CEO Göran Marby hat im Jahr 2020 versucht, durch die Einführung des Begriffs „Technical Internet Governance“ (TIG) das DNS von den Kontroversen um „Political Internet Governance“ (PIG) zu entflechten. Die Diskussion darüber ist jedoch nicht nur nicht abgeschlossen, sie hat gerade begonnen, auch vor dem Hintergrund chinesischer Vorschläge, das TCP/IP-Protokoll durch ein neues Internet-Protokoll (New IP) zu ersetzen (oder zu ergänzen) und russischer Initiativen, Optionen für ein vom globalen DNS unabhängiges „nationales Internet-Segment“ zu schaffen.

Die Absicht, das Management der technischen (neutralen) Internet-Ressourcen aus den geo-politischen Konflikten der 2020er Jahre herauszuhalten, stößt aber ebenso an seine Grenzen wie der Versuch, die Rechtssysteme der 193 nationalen Jurisdiktionen zu harmonisieren. Technische Gegebenheiten determinieren bis zu einem gewissen Grad politische Möglichkeiten, wie Larry Lessig in den späten 1990er Jahre mit seiner These „Code is Law“ feststellte. Und es wird immer wieder Versuche geben, politische Probleme mit technischen Mitteln zu lösen. Die Distanz zwischen „Code Makern“ und „Law Makern“ ist in den letzten 20 Jahren nicht geringer geworden. Es gibt nur ein geringes wechselseitiges Verständnis. „Code Makers“ haben Probleme, die politischen Implikationen ihrer Entwicklungen zu erkennen, „Law Makers“ verstehen häufig die Funktionsweise der technischen Infrastruktur nur unzulänglich.

In seiner Rede vor dem 14. Internet Governance Forum (IGF) im November 2019 in Berlin wies UN-Generalsekretär António Guterres auf das Problem hin: „There’s an absence of technical expertise among policymakers even in the most developed countries, invention is outpacing policy setting, and measured difference in culture and mindset are creating further challenges. ... while industry has been forging ahead and at times breaking things, policymakers have been watching from the sidelines”. Eine Schlussfolgerung daraus ist, dass man über die Entwicklung neuer Formen der Interaktion und der Förderung des gegenseitigen Verständnisses zwischen „Code Makern“ und „Law Makern“ nachdenken muss, will man die Internet Governance Probleme der 2020er Jahre im Interesse der globalen Internet-Community lösen. Diese Community besteht jetzt aus fast fünf Milliarden Menschen und die nächste Milliarde Internet-Nutzer steht bereits vor der Tür.

Notwendig wäre eine Art „TIG-PIG-Interoperational Protocol“ das ein geschmeidiges Ineinandergreifen von technischen und politischen Mechanismen erlaubt ohne die Funktionsfähigkeit des Internet zu beeinträchtigen und die „Neutralität“ des „Public Internet Core“ zu beschädigen. Das vom ehemaligen ICANN-Direktor Bertrand de la Chapelle 2012 gestartete Projekt „Internet & Jurisdiction“ zielt auf die Schaffung eines solchen Protokolls. Die Ergebnisse dieser Forschung sind jedoch bislang spärlich.

Die politischen Kontroversen auf der Anwendungsebene betreffen vor allem drei „Körbe“ des globalen Internet-Governance-Ökosystems: Cybersicherheit, Digitalwirtschaft und Menschenrechte.

Cybersicherheit

Im Bereich der Cybersicherheit gibt es drei Arenen, in denen politische Verhandlungen geführt werden: Völkerrechtsgemäßes Verhalten von Staaten im Cyberspace, Kampf gegen Cyberkriminalität, Internet-basierte autonome Waffensysteme

  • Unter dem Dach des 1. Ausschusses der UN-Vollversammlung wurde 2020 eine zweite „Open Ended Working Group“ (OEWG 2) geschaffen mit dem Mandat, zu definieren, was völkerrechtsgemäßes Verhalten von Staaten im Cyberspace ist. Die OEWG 2 basiert auf Konsensus-Berichten verschiedener früherer UN-Arbeitsgruppen (GGE 1-5 & OEWG 1), die sich mit dem Thema seit 1998 auseinandergesetzt haben. Bisheriges Ergebnis ist die Anerkennung, dass das Völkerrecht der UN-Charta auch für den Cyberspace gilt, sowie die Einigung auf elf Normen, die völkerrechtsgemäßes Verhalten von Staaten kodifizieren. Die OEWG 2 soll weiterhin vertrauens- und kapazitätsbildende Maßnahmen (CBMs) vereinbaren. An der OEWG sind alle 193 Mitgliedsstaaten der UNO beteiligt. Das Mandat gilt bis 2025. Mit der OEWG 2 hat die UNO jetzt erstmalig ein universelles und permanentes Verhandlungsgremium für Cybersicherheit. Unklar ist, was das Ergebnis der neuen Verhandlungsrunde, die im Dezember 2021 begonnen hat, sein soll. Debattiert werden drei Optionen: Ein Aktionsplan, ein (unverbindlicher) Verhaltenskodex, ein (verbindlicher) völkerrechtlicher Vertrag.
  • Die zweite Arena sind Verhandlungen zum Thema Cyberkriminalität. Die organisierte Kriminalität hat den Cyberspace als eines der lukrativsten Felder für ihre Operationen entdeckt. Ransomware-Angriffe können mehr Geld einbringen als der Handel mit Drogen, Waffen oder Menschen. Das neu gegründete UN „Ad Hoc Committee“ (AHC) hat das Mandat, bis 2023 eine UN-Konvention gegen Cyberkriminalität auszuarbeiten. Jahrelang warben westliche Länder, die Budapester Cybercrime Convention des Europarates aus dem Jahr 2001 als einen universellen Vertrag zu akzeptieren. Die Europarats-Konvention steht jedem Land offen, jedoch hat nur ein Drittel der UN-Mitgliedstaaten die Budapester Konvention unterzeichnet. Länder wie China, Indien und Brasilien argumentierten, dass sie an der Ausarbeitung der Budapester Konvention nicht beteiligt waren. Sie unterstützten einen russischen Vorschlag, ein neues UN-Instrument zu entwickeln. Die Befürchtung westlicher Staaten ist, dass ein neuer Vertrag bestehende Standards im Kampf gegen Cyberkriminalität schwächen und neue Konfliktfelder eröffnen könnte, wenn einige Regierungen kontroverse inhaltliche Themen in den neuen Vertrag aufnehmen wollen. Die Verhandlungen für die neue UN-Konvention beginnen 2022 und sollen wechselweise in New York und Wien stattfinden. Insgesamt sind sechs jeweils zweiwöchige Verhandlungsrunden geplant
  • Der dritte Bereich ist das digitale Wettrüsten. Seit 2014 diskutiert eine Gruppe von Regierungsexperten (GGE LAWS) im Rahmen der Konvention über bestimmte konventionelle Waffen (CCW) das Thema von tödlichen, Internet-basierten autonomen Waffensystemen (Lethal Autonomous Weapons Systems/LAWS). UN-Generalsekretär António Guterres fordert seit Jahren ein Verbot solcher Waffen. Die NGO „Stop Killer Robots“ hat die öffentliche Meinung gegen kommende „Drohnenkriege“ mobilisiert, bei denen bewaffnete Maschinen, programmiert mit Gesichtserkennungssoftware, nach Personen suchen, die sie töten müssen. Allerdings gibt es eine gemischte Staatenkoalition – von China und Russland über die Türkei bis hin zu Israel und den USA – die kein Interesse an einem völkerrechtlichen Verbot haben. Ausgangspunkt ist die allgemeine Übereinstimmung, dass Entscheidungen über Leben und Tod nicht von einem Algorithmus getroffen werden sollten. Es besteht jedoch kein Konsens darüber, wie diese grundlegende Aussage in eine konkrete rechtliche Verpflichtung umgesetzt werden soll. 2019 konnte sich die GGE LAWS auf zwölf „Guiding Principles“ einigen. Seither stagnieren die Verhandlungen. Für 2022 sind zwei weitere Verhandlungsrunden der GGE LAWS in Genf avisiert.

Digitalwirtschaft

Im Bereich der digitalen Wirtschaft gibt es vier Arenen: Digitalsteuer, digitaler Handel, Plattformregulierung und nachhaltige Entwicklung.

  • Beim Thema Digitalsteuer gab es 2021 einen historischen Durchbruch. Beim G20-Gipfeltreffen in Rom am 30. Oktober 2021 einigten sich die Staats- und Regierungechefs auf ein neues weltweites Steuersystem (BEPS), das eine globale Digitalsteuer einschließt. Der entsprechende völkerrechtliche Vertrag soll bis Mitte 2022 unterschriftsreif sein. Das neue System soll Anfang 2023 in Kraft treten.
  • Ein Abkommen zum digitalen Handel wird seit Jahren in der Welthandelsorganisation (WTO) verhandelt. Momentan gilt ein vorläufiges Moratorium aus dem Jahr 1998, das Zölle auf elektronische Übermittlungen von Daten verbietet. Das Moratorium war mehrfach verlängert wurden und sollte auf der 12. WTO-Ministerkonferenz, die ursprünglich für Juni 2020 in Kasachstan geplant war, auslaufen. Die WTO-Ministerkonferenz wurde wegen Corona mehrfach verschoben und soll jetzt 2022 stattfinden. In einer WTO-Verhandlungsgruppe unter Leitung von Japan, Australien und Singapur wurde in den letzten Monaten Konsens über neun Artikel des neuen Vertrages erzielt. Die Verhandlungsführer zeigen sich optimistisch, die restlichen Fragen bis zur WTO-Ministerkonferenz zu klären, wenn der politische Wille für eine Einigung vorhanden ist. Überschattet wird das ganze Projekt jedoch von Sanktionen und Gegensanktionen zwischen China und den USA im digitalen Bereich.
  • Die dritte Arena ist die Regulierung von Internetplattformen. Es besteht weltweit ein wachsender Konsens, dass Monopolisierung in der Digitalwirtschaft eine schlechte Sache ist. Die „Winner Takes It All“-Mechanismen der digitalen Ökonomie haben Oligopole – hauptsächlich mit Sitz in China und den USA – hervorgebracht, die die Welt dominieren und negative Folgen für Volkswirtschaften, für Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen (KKMU) sowie für Innovationen haben. Immer mehr Regierungen sehen im Kartellrecht ein sinnvolles Instrument, um der zukünftigen Entwicklung der digitalen Wirtschaft eine andere Richtung zu geben. Insbesondere die Europäische Union (EU) drängt darauf, ein neues „digitales Regelwerk“ (Digital Rulebook) zu schreiben. Aber auch US-amerikanische und chinesische Behörden diskutieren, wie mit den GAFAs (Google, Apple, Facebook, Amazon) und BAHTs (Baidu, Alibaba, Huawei und Tencent) umgegangen werden soll. 2021 hat die Europäische Kommission Entwürfe für ein „Digital Market Act“ (DMA) und ein „Digital Services Act“ (DSA) vorgelegt. Es wird erwartet, dass beide Rechtsinstrumente im Jahr 2022 verabschiedet werden.
  • Eine vierte Arena ist die nachhaltige Entwicklung. Trotz aller Fortschritte in den letzten Jahren und der Tatsache, dass mittlerweile fast fünf Milliarden Menschen online sind, gibt es immer noch eine digitale Kluft. Viele Regionen der Welt sind unterversorgt und haben keine grundlegende Informationsinfrastruktur. Wenn die Welt die „Sustainable Development Goals“ (SDGs) der Vereinten Nationen bis 2030 erreichen will, braucht es mehr Anstrengungen, insbesondere aus dem Privatsektor, um die Lücken zu schließen. Unter dem Dach der ITU und der UNESCO (Broadband Commission), verschiedener UN-Organisationen (UNDP, UNCTAD), des Weltwirtschaftsforum Davos (The Edison Alliance), der „Alliance for Affordable Internet“ und anderer haben sich verschiedene Netzwerke gebildet, die erreichen wollen, dass für „the next billion user“ bis 2025 eine Anbindung an das Internet ermöglicht wird.

Menschenrechte

Im Bereich der digitalen Menschenrechte gibt es zwei Probleme: Die Geltung grundlegender individueller Menschenrechte (Meinungsäußerungsfreiheit, Schutz der Privatsphäre), wie sie in der UN-Menschenrechtsdeklaration festgelegt sind, für das digitalen Zeitalter und die Respektierung der menschlichen Würde durch neue Technologien, insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz.

  • Die Pandemie hat vor Augen geführt, dass der Internetzugang in der heutigen Welt ein grundlegendes Menschenrecht ist. Und die Corona-Krise hat auch die Bedeutung der Resolution des UN-Menschenrechtsrats (HRC) aus dem Jahr 2012 bestätigt, in der es heißt, dass „die gleichen Rechte, die Menschen offline haben, auch online geschützt werden müssen“. Verhandelt werden die entsprechenden Probleme vor allem im HRC in Genf und im 3. Ausschuss der UN-Vollversammlung in New York. In den vergangenen Jahren haben die HRC-Sonderberichterstatter für Meinungsäußerungsfreiheit, Privatsphäre und Vereinigungsfreiheit zahlreiche Berichte erstellt, in denen sie die neuen Herausforderungen und Bedrohungen für die individuellen Menschenrechte in der digitalen Welt skizziert haben. Die Berichte deckten ein breites Spektrum von Themen ab, von Massenüberwachung bis zu Online-Zensur. Aus den Berichten wurden bislang keine neuen regulatorischen Vorschläge entwickelt, wie man die bestehenden Menschenrechte im digitalen Zeitalter respektiert, schützt und fördert. Dies umfasst sowohl politische und bürgerliche Rechte als auch soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte, und hier vor allem das Recht auf Bildung und das Recht auf Arbeit, die in der digitalen Welt eine neue Bedeutung bekommen haben. Der Vorschlag des ehemaligen UN-Berichterstatters für „Privacy in the Digital Age“, Joe Cannataci, für eine UN-Konvention zum Verbot elektronischer Massenüberwachung, die auf digitaler Gesichtserkennung basiert, wurde bislang von zuständigen UN-Gremien nicht aufgegriffen.
  • Vor dem Hintergrund der Entwicklung neuer Technologien wie Internet of Things (IOT) und Künstliche Intelligenz (KI) stehen auch neue Fragen im Raum, die das ganz grundsätzliche Thema der Unantastbarkeit der „Menschenwürde“ neu aufwerfen. Es war ein Meilenstein, dass sich die 41. UNESCO-Generalkonferenz im November 2021 in Paris auf eine Empfehlung zum Thema „Ethik und Künstliche Intelligenz“ verständigen konnte. Die UNESCO-Empfehlung verbietet ausdrücklich den Einsatz von KI-Systemen für Social Scoring und Massenüberwachung. Diese invasiven Technologien haben das Potential Menschenrechte und Grundfreiheiten zu verletzen. Die UNESCO-Empfehlung ist kein rechtsverbindliches Instrument und wurde per Akklamation angenommen, unterstützt auch von China und Russland. Die USA sind nicht mehr Mitglied der UNESCO, haben aber keinen Einspruch erhoben. Im Jahr 2022 werden sowohl die Europäische Union als auch der Europarat an rechtsverbindlichen Instrumenten arbeiten. Im September 2021 veröffentlichte China ein eigenes KI-Framework, das teilweise vom EU-Vorschlag inspiriert wurde. Und die „Global Partnership on Artificial Intelligence“ (GPAI), eine Multistakeholder-Initiative, die von der OECD ausgerichtet wird, zielt darauf ab, die Lücke zwischen Theorie und Praxis bei KI zu schließen.

Im 4. Quartal 2021 fanden eine Vielzahl von Konferenzen und Verhandlungen statt, die sich mit den zahlreichen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, technischen und rechtlichen Fragen der weiteren Entwicklung des globalen Internet-Governance-Ökosystems befassten.

Zwischenstaatliche Ebene

Im Einzelnen waren im 4. Quartal 2021 auf der zwischenstaatlichen Ebene die folgenden Aktivitäten von Belang:

  • Die 76. UN-Vollversammlung nahm im Dezember 2021 insgesamt sechs Resolutionen an, die sich mit Internet-Governance-Themen beschäftigen, u.a. zu Cybersicherheit, Meinungsäußerungsfreiheit und WSIS-Follow-Up;
  • Bei der ersten formellen Sitzung der „Open Ended Working Group“ (OEWG) zu Cybersicherheit im Dezember 2021 ging es vor allem um den Status von nicht-staatlichen Akteuren bei zukünftigen Cybersicherheitsverhandlungen;
  • Im November 2021 wurde die Position des „UN Technology Envoy“, der von UN-Generalsekretär António Guterres berufen wird, neu ausgeschrieben;
  • Im Dezember 2021 fand in Genf eine weitere Verhandlungsrunde zu autonomen Waffensystemen (GGE LAWS) statt, die erneut ergebnislos verlief;
  • Unter dem britischen G7-Vorsitz gab es im Oktober und Dezember 2021 Treffen der Wirtschafts- und Außenminister in London und Liverpool, bei denen die G7-Strategie für Cybersicherheit und digitale Zusammenarbeit weiter präzisiert wurde;
  • Beim G20-Gipfel unter dem Vorsitz von Italien im Oktober 2021 in Rom wurde der Durchbruch bei den Verhandlungen zu einer globalen Digitalsteuer besiegelt;
  • Unter der indischen BRICS-Präsidentschaft gab es im Oktober 2021 ein Treffen der BRICS-Kommunikationsminister, bei der über eine abgestimmte BRICS-Strategie zur künstlichen Intelligenz diskutiert wurde;
  • Bei einem Ministerpräsidententreffen der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) im November 2021 wurde eine engere Zusammenarbeit zur Förderung eines grenzüberschreitenden eCommerce vereinbart;
  • Bei einem Treffen der „Asia-Pacific Economic Cooperation“ (APEC) im November 2021 hat China einen Antrag auf Mitgliedschaft im „Digital Economy Partnership Agreement“ (DEPA) gestellt;
  • Im Dezember 2021 veranstaltete die US-Regierung in Washington einen Demokratiegipfel, an dem über 100 Regierungen teilnahmen und bei dem auch über eine neue „Allianz zur Zukunft des Internet“ diskutiert wurde;
  • Die Europäische Kommission hat im 4. Quartal ihre Arbeit an verschiedenen Gesetzesinitiativen (Digital Services Act, Digital Markert Act, Digital Governance Act, European Chips Act, Cyber Resilience Act, NIS 2, AI Regulatory Package) fortgesetzt.
  • Die Arbeitsgruppe des Europarates zur künstlichen Intelligenz (CAHAI) hat im Dezember 2021 einen Vorschlag für ein neues Rechtsinstrument zu KI an das Ministerkomitee des Europarates verabschiedet; das 2. Zusatzprotokoll zur Budapest-Konvention gegen Cyberkriminalität wurde im November 2021 fertiggestellt und wird ab März 2022 zur Unterschrift aufgelegt;
  • Die 41. Generalkonferenz der UNESCO hat im November 2021 eine Empfehlung zu „Ethik und künstlicher Intelligenz“ per Akklamation verabschiedet;
  • Die OSZE-Beauftragte für freie Medien hat im November 2021 in ihrem Halbjahresbericht eine Zunahme von Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit im Internet festgestellt;
  • Im Dezember 2021 hat die Welthandelsorganisation (WTO) über Fortschritte bei den Verhandlungen über ein Abkommen zum digitalen Handel und eCommerce berichtet;
  • Das 6. World Telecommunication Policy Forum (WTPF) der ITU endete im Dezember 2021 mit der Annahme von fünf sogenannte „Opinions“ zur weiteren Entwicklung der globalen Informationsinfrastruktur und zu Cybersicherheit;
  • Die NATO hat im November 2021 einen mit einer Billion Euro ausgestatteten „Innovations Fonds“ geschaffen mit der eine engere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zur Entwicklung von innovativen, Internet-basierten Waffensystemen gefördert werden soll;
  • Die OECD hat im November ihren jährlichen „Development Report“ vorgelegt, in dem substantielle Fortschritte bei der globalen digitalen Transformation dokumentiert sind;
  • Interpol hat im Oktober 2021 erstmalig einen Bericht über das Anwachsen von Cyberkriminalität in Afrika veröffentlicht (African Cybersecurity Assesment Report 2021)
  • Auf dem 13. Europa-Asien-Gipfel (ASEM) wurde im November 2021 eine engere europäisch-asiatische digitale Zusammenarbeit vereinbart;

Multistakeholder Ebene

Im Einzelnen waren auf der Multistakeholder und nicht-staatlichen Ebene im 4. Quartal 2020 die folgenden Aktivitäten zu verzeichnen:

  • Am 16. Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen im Dezember 2021 in Kattowitz in Polen hatten sich über 10.000 Teilnehmer registriert. Die Kattowitz IGF-Messages enthalten 56 Empfehlungen an alle Stakeholdergruppen;
  • Die „Freedom Online Coalition“ (FOC) veranstaltete im Dezember 2021 in Helsinki ein virtuelles Meeting und verabschiedete anlässlich ihres 10. Jahrestages eine „Helsinki Declaration towards a Rules-based, Democratic and Digitally Inclusive World“;
  • Der jährliche Lissaboner Web-Summit brachte im November 2021 über 60.000 Teilnehmer zusammenen;
  • Freedom House hat im Oktober 2021 seinen Jahresbericht „Freedom on The Net 2021“ vorgelegt und darin ein weiteres Absinken der globalen Internetfreiheit und die Zunahme von Internet-Shutdowns dokumentiert;
  • Die dänische Regierung hat im November 2021 in Kopenhagen eine neue Multistakeholder-Initiative unter dem Titel „Tech for Democracy“ gestartet;
  • Die „Global Commission on the Stability in Cyberspace“ (GCSC) hat mit der Veröffentlichung einer Publikation „New Conditions and Constellations in Cyber“ zum 31. Dezember 2021 ihre Arbeit eingestellt;
  • Das „Global Forum on Cyber Expertise“ (GFCE) hat im Dezember 2021 seine Forschungsschwerpunkte für den Zeitraum 2022-2024 veröffentlicht;
  • Die „Charter of Trust“ hat im November 2021 den „Infrastructure Security Month“ genutzt, um für neue Partnerschaften bei der Sicherung digitaler Lieferketten zu werben;
  • Das „Global Internet Forum to Counter Terrorism“ (GIFTC) hat im Dezember 2021 seine „Hash-Sharing Database“ weiter ausgebaut;
  • Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) hat sich im November 2021 in einer Studie für ein neues Verfahren zur Stärkung von Cybersicherheit in der EU (Digital Security Proofing) eingesetzt und die Schaffung eines „European Chief Security Officer“ gefordert;
  • Das „DNS Abuse Institute“ hat im November 2021 die Entwicklung eines neuen „Centralized Abuse Reporting Tools“ (CART) angekündigt;
  • Das „Chatham House“ in London hat im Oktober 2021 eine Diskussion zum Thema „Who controls the Internet“ organisiert und dabei die enge Verknüpfung von Internet Governance und globaler Geopolitik betont;
  • Das „CyperPeace Institute“ (CPI) in Genf hat sich im Dezember 2021 mit vier Forderungen zur Sicherung des Friedens im Cyberspace an die politischen Führer der Welt gewandt;
  • Der „Tech Accord“ hat im Oktober 2021 ein „Weißbuch zu Cyberdiplomatie“ veröffentlicht und im November 2021 neue Vorschläge für eine Beteiligung von nicht-staatlichen Akteuren an globalen Cybersicherheitsverhandlungen unterbreitet;
  • Das „Facebook Oversight Board“ (FOB) hat im November seinen Bericht über die Behandlung von 18 Fällen im 2. und 3. Quartal 2021 vorgelegt;
  • Im November 2021 hat die RightsCon einen „Call for Proposals“ für ihre 2021er Konferenz veröffentlicht;
  • Im November 2021 standen beim 4. Pariser Friedensforum mit 16.000 Teilnehmern Cybersicherheit, Digitalwirtschaft und künstliche Intelligenz auf der Tagesordnung;
  • Im November 2021 sind die USA dem „Paris Call for Trust and Security in Cyberspace“ beigetreten;
  • Im November 2021 hat die „Global Partnership on Artificial Intelligence“ (GPAI) ihren ersten Jahresbericht vorgelegt;   
  • Im Oktober 2021 hat das „Davoser Weltwirtschaftsforum“ ein Weißbuch für eine rechtliche Regelung der digitalen Gesichtserkennung veröffentlicht;
  • Die „Alliance for Affordable Internet“ (A4AI) hat im Dezember 2021 ihren jährliche „Affordability Report“ publiziert und darin die Schaffung eines Universalfonds gefordert, mit dem der Zugang zum Internet in unterentwickelten Regionen gefördert werden soll.

 

 

 

One of the greatest perils we face is the growing reach of digital platforms and the use and abuse of data. A vast library of information is being assembled about each of us. Yet we don’t even have the keys to that library. We don’t know how this information has been collected, by whom or for what purposes. But we do know our data is being used commercially — to boost corporate profits. Our behavior patterns are being commodified and sold like futures contracts. Our data is also being used to influence our perceptions and opinions. Governments and others can exploit it to control or manipulate people’s behaviour, violating human rights of individuals or groups, and undermining democracy. This is not science fiction. This is today’s reality. And it requires a serious discussion. So, too, do other dangers in the digital frontier. I am certain, for example, that any future major confrontation — and heaven forbid it should ever happen — will start with a massive cyberattack. Where are the legal frameworks to address this? Autonomous weapons can today choose targets and kill people without human interference. They should be banned. But there is no consensus on how to regulate those technologies. To restore trust and inspire hope, we need to place human rights at the centre of our efforts to ensure a safe, equitable and open digital future for all.

UN-Generalsekretär António Guterres, 76. UN-Vollversammlung, New York
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