Q2/2020 - Europäische Union, Brüssel, April - Juni 2020
EU-Hilfspaket zu Covid-19 „Europe's Moment: Repair and Prepare for the Next Generation: A Deeper and More Digital Single Market“, Brüssel, 27. Mai 2020
Am 27. Mai 2020 verabschiedete die EU ihr umfangreiches Hilfspaket zur Bewältigung der Folgen der Covid-19-Krise. In einer Kommunikation der Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat wird ein 20 Seiten umfassendes Programm unter dem Titel „Europe's moment: Repair and Prepare for the Next Generation“ vorgestellt.
Das Programm enthält im Abschnitt 4.2 einen umfangreichen Katalog von Maßnahmen für eine beschleunigte Digitalisierung Europas. Die Krise wäre für Europa eine einmalige Chance, sich global als sicherer und effektiver Partner in einem rechtsstaatlich basierten Cyberspace zu präsentieren. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigte in ihrer Rede zu dem Hilfspaket die in ihrer Grundsatzrede vom 17. Februar 2020 vorgetragene Konzeption eines „grünen und digitalen Europas.“ In dem neuen Dokument heißt es u.a.: „This is Europe’s moment. Our willingness to act must live up to the challenges we are facing. National efforts alone will not be enough - Europe is in a unique position to be able to invest in a collective recovery and a better future for next generations. This is our defining generational task. The investment we make through Next Generation EU will not only help kick-start the economies and support workers, companies and regions today. It will invest in the future and make us more resilient so that we emerge stronger and further forward than before. We will accelerate the twin green and digital transition and make sure that people are at the heart of the recovery.“
Der Aktionsplan enthält vier konkrete Ziele für ein digitales Europa:
- Verbesserung der Kommunikationsinfrastruktur und schneller Ausbau der 5G-Netze,
- Stärkere Präsenz europäischer Unternehmen in strategischen Bereichen der Digitalwirtschaft, insbesondere bei künstlicher Intelligenz, Cybersicherheit, Supercomputing und Clouddiensten,
- Aufbau einer Datenwirtschaft als Motor für Innovation und zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen,
- Stärkung der Cyberelastizität Europas (Increased Cyber Resilience)[1].
Der Aktionsplan in seiner Gänze umfasst ein Volumen von 750 Milliarden €. Der Plan schlüsselt jedoch nicht auf, wie viel davon in die neue und jetzt erweitere EU-Digitalstrategie fließen soll. In einem „Factsheet“ zur Finanzierung der entsprechenden Maßnahmen geht die EU-Kommission aber davon aus, dass ein Großteil der Mittel durch neue Einnahmequellen erst noch erschlossen werden muss. So erwartet die Kommission von der noch nicht beschlossenen Digitalsteuer jährlich Einnahmen von bis zu 1.3 Milliarden €[2].
Erklärung zum Missbrauch des Cyberspace für kriminelle Aktivitäten während der Pandemie, EU-Außenbeauftragter Josep Borell, Brüssel, 30. April 2020
Am 30. April gab der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, im Namen der EU eine Erklärung ab zu kriminellen Aktivitäten im Cyberspace während der Covid-19-Krise. Die EU verurteile jedwede Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen, einschließlich DDoS-Attacken, Erpressungssoftware, Phishing-Aktivitäten oder Desinformationskampagnen. Lösungen für Probleme müssten in den beiden UN-Cybersicherheitsverhandlungsgruppen (UN-GGE und OEWG) gefunden werden[3]. Am 14. Mai 2020 verlängerte die EU ihr im Mai 2019 eingeführtes Sanktionsregime gegen Staaten, denen kriminelle Cyberaktivitäten nachgewiesen wurden[4].
Berufung der EU-Stakeholders Cybersecurity Certification Group (SCCG), Brüssel, 22. Juni 2020
Am 22. Juni 2020 verkündete EU-Kommissar Thierry Breton die Einsetzung einer neuen “Stakeholders Cybersecurity Certification Group“ (SCCG), die die EU-Kommission und die Europäische Agentur für Cybersicherheit (ENISA) in strategischen Fragen zum Thema Zertifizierung und Cybersicherheit beraten soll. Die Bildung der SCCG war in der EU-Richtlinie zur Cybersicherheit von 2019 vereinbart worden. Ein europäisches Zertifizierungssystem soll Vertrauen und Sicherheit in ICT-Produkte und -Dienstleitungen erhöhen und eine Marktfragmentierung verhindern. Breton sagte bei der Inauguration der Gruppe: „Not only will certification play a crucial role in increasing trust and security in ICT products, but it will also provide European companies with the necessary tools to demonstrate that their products and services have state of the art cybersecurity features. This will in turn allow them to better compete in the global market. The Stakeholder Cybersecurity Certification Group will help by bringing about the needed expertise and advice for the creation of a tailored and risk-based EU certification system“[5].
Die Gruppe hat 50 Mitglieder, darunter auch die Deutsche Telekom, Infineon, die Robert Bosch GmbH, SAP, Thales, ETNO, BEUC, ETSI und die ITU[6].
Öffentliche Konsultationen zum „Digital Service Act“, Brüssel, 2. Juni 2020
Am 2. Juni 2020 hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation zum geplanten „Digital Services Act“ gestartet. Die Ausarbeitung dieser neuen Richtline hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Grundsatzrede am 19. Februar 2020 angekündigt. Der „Digital Services Act“ soll das grundlegende Gesetzbuch für alle digitalen Dienstleistungen in Europa werden. Die Konsultation richtet sich an alle Stakeholder aus der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft, Online-Plattformen und andere interessierte Gruppen. Dier Konsultation ist offen bis zum 4. September 2020. Erwartet wird, dass der „Digital Services Act“ noch 2021 verabschiedet wird[7].
Gründung eines „European Digital Media Observatory“ (EDMO), Brüssel, 1. Juni 2020
Am 1. Juni 2020 hat die EU ein neues „European Digital Media Observatory“ (EDMO) eröffnet. Das Observatorium soll sich insbesondere mit Fake News, Desinformationskampagnen und Hassrede im Internet auseinandersetzen. EDMO soll eine Multistakeholder- und multidisziplinäre Community von Fakt-Checkern, Akademikern, zivilgesellschaftlichen Gruppen und Medienorganisationen zusammenführen und unterstützen. Das EDMO Konsortium wird vom Europäischen Institut in Florenz geleitet. Dem EDMO-Konsortium gehören das Athens Technology Center in Griechenland und die Universität Aarhus in Dänemark sowie die italienische Fakt-Checking Organisation Pagella Politica an. In einer zweiten Phase – nach einem für den Herbst angekündigten Call for Proposals – soll das Netzwerk weiter ausgebaut werden[8]. EDNO ist Teil des am 5. Dezember 2018 verabschiedeten EU-Aktionsplans gegen Desinformation.
Öffentliche Konsultation zur Digitalisierung des kulturellen Erbes, 22. Juni 2020
Am 22. Juni 2020 hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation zum Thema „Digitaltechnologie und kulturelles Erbe“ gestartet. Bereits 2011 hatte die EU dazu eine Empfehlung verabschiedet. Durch den Brand von Notre-Dame in Paris und die Covid-19-Krise sei die Notwendigkeit, kulturelles Erbe zu digitalisieren und es weltweit online zugänglich zu machen, noch stärker ins Bewusstsein gerückt. Die EU-Kommission erwartet sich von der Konsultation, die bis zum 14. September 2020 geht, Impulse, wie die Digitalisierung des europäischen kulturellen Erbes effektiver und innovativer gestaltet werden kann[9].
High Level Internet Governance Working Group (HLIG), Brüssel, 28. Januar 2020
Am 12. Juni 2020 fand eine weitere Sitzung der EU High Level Group on Internet Governance (HLIG) als virtuelles Meeting am Rande der virtuellen EuroDIG statt[10]. Auf der Tagesordnung standen neben der Beteiligung der EU an EuroDIG der geplante EU Digital Services Act, die Strategie der EU für ein digitales Europa vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise, die UN Roadmap zur digitalen Zusammenarbeit, die Vorbereitungen für das virtuelle IGF durch die polnische Regierung, die bevorstehende 68. ICANN-Tagung sowie Probleme im Zusammenhang mit technische Standards wie DoH und New IP. Pearse O'Donohue, "Direktor der „Future of Networks“ Unit in der DG CONNECT der EU-Kommission, der auch Vorsitzender der HLIG ist, bezeichnete EuroDIG als das zentrale Forum zur Diskussion des europäischen Herangehens an die globale Internet-Governance-Debatte[11].
ENISA: Komitee für Cybersicherheit und künstliche Intelligenz gebildet, 14. Juni 2020
Am 10. Juni 2020 wurde die neue „Ad-Hoc Cybersecurity Working Group on Artificial Intelligence“ von der Europäischen Agentur für Cybersicherheit (ENISA) berufen. Die neue Gruppe soll ENISA helfen zu erforschen, welche Konsequenzen sich aus der Entwicklung von künstlicher Intelligenz für die Sicherheit im Cyberspace ergeben und welche neuen Bedrohungen für die digitale Kommunikation entstehen können. Die Gruppe soll ENISA Empfehlungen geben, welche Maßnahmen notwendig sind, um Vertrauen und Cybersicherheit zu stärken[12]. Die Gruppe hat 15 Mitglieder, darunter Sven Herpig von der Stiftung Neue Verantwortung und Christian Berghoff von der Bundesagentur für Informationssicherheit. Das Mandat der Gruppe ist zunächst auf ein Jahr begrenzt, kann aber verlängert werden. Ein erster umfassender Bericht der Gruppe wird im Jahr 2021 erwartet[13].
EU-Kommissar Thierry Breton zum chinesischen Vorschlag für ein neues Internet-Protokoll (New IP), 3. Juni 2020
Bei einer Fragestunde des Europäischen Parlaments am 3. Juni 2020 äußerte sich der für Digitalpolitik zuständige EU-Kommissar Thierry Breton zum chinesischen Vorschlag, im Rahmen der ITU ein neues Internet-Protokoll (New IP) auszuarbeiten. Breton wies das Argument, das bestehende Internet-Protokoll TCP/IP wäre nicht hinreichend, um zukünftige 5G- oder 6G-basierte Internet-Dienste zu ermöglichen und es bedürfe daher eines neuen Internet-Protokolls, zurück. Gerade die Covid-19-Krise mit dem enormen Anschwellen der Nutzung bestehender und neuer digitaler Dienste hätte die Leistungsfähigkeit von TCP/IP demonstriert (demonstrated a high level of resilience, scalability and adaptability, enabling the growth of the global Internet). Grundsätzlich sehe die EU-Kommission weitere Verbesserung von Internet-Protokollen positiv. Diese sollten jedoch im Rahmen der etablierten Internet-Standardisierungs-Organisationen (SDOs) stattfinden auf der Basis der Prinzipien Transparenz, Bottom-up und Offenheit für alle Stakeholder. Die EU, die formell nicht Mitglied der ITU ist, empfehle ihren 27 Mitgliedstaaten, sich bei der bevorstehenden World Telecommunication Standardization Assembly (WTSA) entsprechend zu positionieren. Die Europäische Kommission stehe für ein unfragmentiertes, offenes, neutrales, freies und einheitliches Internet, für erlaubnisfreie Innovation, Datenschutz, die Stärkung der Internet-Nutzer und die Beachtung der Menschenrechte im Cyberspace[14].